Geschrieben am 1. September 2016 von für Bücher, Litmag

Roman: Garth Risk Hallberg: City on Fire

Garth Risk Hallberg_City on FirePackendes Großstadtpanorama

– Was für ein Debüt: Auf knapp 1100 Seiten breitet der 36jährige  Garth Risk Hallberg in „City on Fire“ ein packendes New Yorker Großstadtpanorama aus und verzahnt auf der Folie der großen gesellschaftlichen Entwicklungen die Schicksale seiner Protagonisten in virtuoser Weise. Von Karsten Herrmann

Der Roman ist im Jahre 1977 angesiedelt, dem Jahr, in dem ein massiver Stromausfall die ganze Stadt New York mit dramatischen Folgen lahm legte. Es ist eine Zeit, in der die Subkultur und der Punk in der vor dem Bankrott stehenden Metropole blühen und in der Immobilienspekulanten das große Geschäft wittern und mit heißen Abbrüchen ganzer Straßenzüge in der Bronx tatkräftig nachhelfen.

Im Zentrum des Romans steht das ungleiche homosexuelle Duo Mercer und William: Der „schwammig braune Spießer“ Mercer ist aus der Provinz in die Stadt gekommen, arbeitet als Lehrer an einer Mädchenschule und träumt davon die „Great American Novel“ zu schreiben. William ist ein drahtiger blasser Punk“, Ex-Junkie, Ex-Frontmann der legendären Punk-Band „Ex Post Facto“ sowie Erbe eines Firmenimperiums. Als Avantgarde-Künstler versucht er, „das Antlitz der gesamten Stadt neu zu erschaffen“. Sein Kontrahent ist Nicky Chaos, der die ehemalige Band wieder auferstehen lassen will und mit seiner massenhaft Drogen konsumierenden  „revolutionären Zelle“ im East Village den Aufruhr in der Stad provozieren will und auf den ganz großen Knall zusteuert.

Zu Hallbergs weiteren zentralen Figuren gehören noch Williams Schwester Regan Hamilton-Sweeney, ihr Mann Keith, der undurchsichtige und „dämonische“ Strippenzieher Amory Gold, der Journalist Richard Groskoph, der Cop Larry Pulaski sowie die jungen Punks Charlie und Sam. Ihre Schicksale kreuzen sich auf die unterschiedlichsten Weisen, als in der Sylvesternacht Sam im Central Park niedergeschossen wird. Sie alle stehen in einem sich nach und nach offenbarenden Beziehungsgeflecht aus zerrütteten Familienbanden, Liebe, Affären und Hass, aus revolutionären Ideen, Eigenliebe und kriminellem Profitstreben.

Mit seinen Protagonisten spiegelt Garth Risk Hallberg auch zentrale Sujets und Diskurse der schillernde Metropole wieder: Avantgarde-Kunst, Punk, Rock’n’Roll und Subversion, Hochfinanz und Spekulantentum, Staatsgewalt und „New Journalism“. In beeindruckender Weise  collagiert er die einzelnen Elemente – so auch grafisch abgesetzte „objets trouvés“ wie Briefe, Fanzines oder Reportagen –  und Erzählstränge zusammen und nutzt die Aufklärung des Verbrechens als verbindendes und spannungssteigerndes Element.

Kulminationspunkt ist schließlich die Nacht des Blackouts im heißen Juli 1977, in dem sich alles zusammen findet und aufklärt und doch klar wird „wie vergeblich jeder Versuch war, die Ordnung wieder herzustellen; etwas war falsch, tief in dieser Ordnung selbst“.

„City on Fire“ ist ein avanciert komponiertes und grandios erzähltes Großstadtepos mit überzeugenden Charakteren und einer guten Portion „Suspense“. Garth Risk Hallberg, der in Brooklyn lebt und bisher nur mit Erzählungen und Essays an die Öffentlichkeit getreten ist, hat seine Karriere mit einem souveränen Opus magnum begonnen und man ist versucht ihn schon in eine Reihe mit John Dos Passo und Don deLillo zu stellen. Doch was soll danach nur noch kommen?

Karsten Herrmann

Garth Risk Hallberg: City on Fire. Aus dem Amerikanischen von Tobias Schnettler. S. Fischer, 1080 S., 25 Euro.

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