Geschrieben am 6. März 2017 von für Bücher, Litmag

Roman: Lyonel Trouillot: Yanvalou für Charlie

trouillt_yanvalouVerborgene Perlen

Viel zu wenig präsent sind auf dem heimischen Buchmarkt die Bücher von Autoren aus den kleineren Literaturen dieser Welt, aus Afrika, Asien, Südamerika oder auch der Karibik. Der Roman „Yanvalou für Charlie“ (der auf der 33. Ausgabe der Litprom-Bestenliste „Weltempfänger“ stand) des Haitianer Lyonel Trouillot ist ein weiteres Beispiel dafür, welche Perlen es dort zu entdecken gibt.

Lyonel Troillots Protagonist Dieutor Mathurin Saint-Fort ist ein aufstrebender Anwalt in einer Kanzlei in Port au Prince. Sein Chef ist ein reicher mittelmäßiger Erbe, seine eine Kollegin Elisabeth ist eine Idealistin auf der Suche nach dem Guten und seine andere Kollegin Francine ist schön, täuschend und berechnend. Mathurin selber, der aus der armen haitianischen Provinz stammt, ist ein absoluter Pragmatiker: „Ich analysiere das System und wende dessen Regeln an, ohne sie mir zu eigen zu machen. Im Grunde habe ich weder Standpunkte noch Vorurteile.“ Er hat seine Vergangenheit hinter sich gelassen und zieht es vor mit sich und seiner Gitarre allein und glücklich zu sein, „ein Söldner in eigenen Diensten“.

Als der junge Charlie in seiner Kanzlei auftaucht, holt ihn jedoch die Vergangenheit ein: Die Armut und Aussichtslosigkeit auf dem Lande, die leeren Versprechen der Politiker und verheerenden Zyklone. Charlie kommt aus Mathurins Dorf und lebte in Port au Prince in einem Kinderheim und später als Straßenjunger und kleiner Gangster: „Man hat eigentlich nur die Wahl zwischen dem ewigen Elend und einem kurzfristigen Ruhm, der mit einem Blutbad endet.“

„Yanvalou für Charlie“ ist ein wunderbar lakonisch erzählter und doch immer auch melancholisch grundierter Roman über die Identität eines Menschen, der zwischen zwei Welten steht und nirgendwo mehr zu Hause ist. Gleichzeitig bekommen wir Einblicke in das verzweifelte Herz eines Landes, das von der Armut zerfressen wird und langsam ausblutet. Trouillots makelloser Stil hat dabei einen ganz eigenen Sound, der wie französischer Existentialismus mit einem Schuss Karibik klingt.

Karsten Herrmann

Lyonel Trouillot: Yanvalou für Charlie. Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer und Claudia Steinitz. Liebeskind 2017. 176 Seiten. 18,00 Euro

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