Geschrieben am 3. Oktober 2016 von für Bücher, Litmag

Roman: Martin Mosebach: Mogador

mosebach_mogadorProfi-Prosa mit lauwarmem Nachgeschmack

– In seinem neuen Roman verbindet Martin Mosebach, der als einer der elegantesten und zugleich konservativsten Erzähler hierzulande gilt, die westliche Welt der Banken, der Karriere und des Betrugs mit der orientalischen Welt der Seher und Bettler, der Rituale und archaischen Traditionen. Seine pittoreske Prosa versickert schließlich in einer lauwarmen Auflösung.

Im Mittelpunkt des Romans steht Patrick Elff, der nach einem Literaturstudium schnell die Karriereleiter in einer Beratungsfirma und schließlich in einer großen Bank hinaufgestiegen ist und dabei den Graubereich des gerade noch Erlaubten deutlich überschritten hat. Als er anlässlich des Selbstmordes eines Mitarbeiters von der Polizei befragt wird und die Presse schon auf ihn wartet, gerät er in Panik und flieht nur mit einem dicken Bündel Bargeld im feinen Anzug nach Marokko. Ohne Nachricht lässt er auch seine Frau Pilar zurück, einer schönen Immobilienmaklerin aus reichem Hause, der er sich immer unterlegen fühlte: „Was jetzt geschah, war nur die Abwicklung eines moralischen Bankrotts.“

Nach der Landung in Casablanca fährt Patrick mit dem Bus in die Küstenstadt Essaouira, dem alten Sagen umwobenden Mogador. Hier findet er Unterschlupf im verwinkelten Haus der Patronin Khadija. Aus eigener Kraft schuf sie, die zweimal früh Verwitwete, ein kleines Imperium mit einem „verschwiegenen Garten der Lüste“, mit Kupplerei, Geldverleih und Wahrsagerei: „Die Männer waren ihre Vasallen geworden […]. Sie verstand die Männer, sie war ihre heimliche Königin.“

In Mogador, wo sich Patrick Hilfe von einem mächtigen und zwielichtigen Kunden seiner Bank erhofft, verliert er sich zusammen mit dem jungen Karim in der orientalischen Welt: in den zeitlosen Tee- und Hammam-Ritualen, in der Medina, mit ihren Souks, Bettlern, Tagelöhnern und Vermittlern, den Huren und Trinkern. Hier spürt Patrick eine in Deutschland als Kollateralschaden seiner Karriere und seiner Skrupellosigkeit gewachsenen Leere in sich: „War seine Schuld vor allem diese Leere?“

Doch noch vor der spirituellen Erleuchtung oder Läuterung flieht Patrick Elff nach einem Zwischenfall im Rausch ein zweites Mal und verlässt Mogador Hals über Kopf in Richtung Deutschland. Trotz der Einsicht, „daß der bürgerliche Tod ebenso viele Stufen kennt wie Dantes Hölle“, erscheint ihm dieser doch angenehmer als ein marokkanisches Gefängnis.

Martin Mosebach zeigt sich in „Mogador“ einmal mehr als ein betörender Erzähler mit allwissender, auktorialer Perspektive. Seine elegant und wohltemperiert dahin strömende Prosa trägt den Leser lange Zeit wie auf Wolken über die Seiten – und doch schleicht sich irgendwann Irritation ein: Aus zu ferner Zeit scheint diese Sprache, die der Welt einen etwas pittoresken Charakter verleiht und über Seiten hinweg die verschiedenen Physiognomien von Bettlern in den Straßen von Mogador beschreibt. Bei näherer Betrachtung zeigen sich dann auch die Risse in der Komposition und Dramaturgie des Romans. So bleiben die Lebensgeschichten von Patrick und Khadija weitest gehend unverfugt nebeneinanderstehen und der Schlussakt versickert schließlich in einer lauwarmen Karthasis.

Karsten Herrmann

Martin Mosebach: Mogador. Rowohlt, 2016. 386 Seiten. 22,95 Euro.