Geschrieben am 5. Juli 2017 von für Bücher, Litmag

Roman: Rachel Kushner: Telex aus Kuba

kushner_telexSüffiges Lesevergnügen

– Nach ihrem zweiten Roman „Flammenwerfer“, der mit seiner komplexen Komposition und einem futuristischen Furor 2015 für Aufsehen gesorgt hat, kommt nun auch Rachel Kushners Erstling „Telex aus Kuba“ mit Zeitverzögerung auf den deutschen Markt. Von Karsten Herrmann

Erzählt wird vom Kuba der 1950er Jahre, als Batista nach einem Putsch an die Macht kam und Fidel und Raul Castro in die Berge zogen, um das Land von diesem Diktator zu befreien. Es ist eine Zeit, in der die Amerikaner in Kuba noch fest im Sattel sitzen und das Land und seine billigen Arbeitskräfte weidlich ausbeuten. Da ist zum einen die United Fruit Company, die endlose Zuckerrohrfelder besitzt und mit Preston eine eigene amerikanische Stadt auf Kuba unterhält. Und da ist zum anderen das Nickelbergwerk, aus dem den ganzen Tag rötlicher Staub auf die Häuser und die üppige tropische Vegetation fällt und in dem die Kubaner unter unmenschlichen Bedingungen schuften.

Kushner erzählt die Hauptteile des Romans einerseits aus der kindlich-jugendlichen Sicht von K.C. Stites, dem Sohn des Geschäftsführers der United Fruit Company auf Kuba und andererseits aus der Perspektive der eigenwilligen Evely Lederer, Tochter des Geschäftsführers der Nickelmine. Sie erzählen vom komfortablen Leben in der amerikanischen Community, von Ausflügen in die ärmlichsten Strohhüttendörfer der Zuckerrohrschneider oder zu reichen Angelgründen an der Küste sowie von Freundschaft und Liebe auch zwischen den Kulturen.

 Aber dann brennen plötzlich die Zuckerrohrfelder und  K.C. Stites älterer Bruder zieht in die Berge, um den Guerilla-Kampf der Castro-Brüder zu unterstützen. Eine schillernde Rolle in der sich anbahnenden Revolution spielen hier auch ein französischer Waffenhändler mit SS-Vergangenheit und als Alter Ego der Autorin die Cabaret-Tänzerin Rachel K., die ebenso mit Präsident Batista anbandelt wie auch mit der Untergrundbewegung kooperiert. Und entgegen dem festen Glauben der amerikanischen Community gewinnen die Revolutionäre die Überhand auf Kuba und nichts ist mehr so wie es vorher war.

Rachel Kushner ist eine packende Erzählerin, die das alltägliche Leben auf der Tropeninsel mit seinen politisch-wirtschaftlichen Verwerfungen in üppig-sinnlichen Bildern einfängt und dabei auch mit detailliertem Lokalkolorit und geschichtlichen Hintergründen inklusive einem amüsanten Auftritt von Ernest Hemingway aufwartet. Auch wenn zuweilen der rote Faden zwischen den unterschiedlichen Erzählperspektiven verloren zu gehen droht und die Revolution den Anschein eines Pfadfinder-Abenteuers bekommt, bietet „Telex aus Kuba“ ein ebenso süffiges wie spannendes Lesevergnügen für die Sommermonate.

Karsten Herrmann

Rachel Kushner: Telex aus Kuba. Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt 2917. 464 Seiten. 19,95 Euro.

Tags :