Aber warum nur?
Von Tina Manske
– Roland Schimmelpfennig ist einer der bekanntesten Theaterregisseure Deutschlands. Mit seinem ersten, etwas prätentiös betitelten Roman war er in diesem Jahr für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Als Leser fragt man sich allerdings die ganze Zeit, warum.
Dabei ist der Plot des Romans zunächst nicht uninteressant. Schimmelpfennig beleuchtet in mehreren Erzählsträngen die unterschiedlichen Schicksale von Menschen, die sich in und um Berlin aufhalten. Dazu kommt ein Wolf, der durch Brandenburg streift und mit dem jeder der Charaktere eine Begegnung der einen oder anderen Art haben wird. Da ist das junge Paar, das seine erste große Krise hat (bzw. sie bald ein Kind von einem anderen). Da ist das alte Ehepaar, das sich der Gentrifizierung ihres Stadtviertels widersetzt. Da ist der etwas paranoide Kioskbesitzer mit Sinnnfrage, der sich auf die Suche nach dem Wolf macht, um ein Foto von ihm zu schießen. Da sind die beiden Teenager, die von zuhause ausreißen. Allesamt Figuren, denen man gerne folgen möchte, warum denn nicht. Aber der Autor vergällt es einem mit seiner Sprache, die einem Ärgernis nahekommt. In einem Hauptsatz-Stakkato ersticht er jegliches Interesse beim Leser. Beispiel: „Er hielt es in dem Haus nicht aus. Die Dinge sahen anders aus. Die Frau sah anders aus. Das Licht war anders. Er ging sofort los. Es war noch hell.“ Usw. usf. Das liest sich zum Teil wie die „einfache Sprache“, in die man manche Websites übersetzen lassen kann.
Dazu kommen unnötige, prätentiöse Sitten wie die, den Eltern der entflohenen Teenager keine Namen zu geben, sondern sie „Eltern des Jungen“ oder „Mutter des Mädchens“ zu nennen bis zum bitteren Ende. Warum? Immerhin haben ja auch der Junge und das Mädchen Namen bekommen. Es ist ein Elend.
Von einem gestadenen Dramaturgen vom Schlage Schimmelpfennigs hätte man zumindest erwarten können, dass er Dialoge schreiben kann. Bei ihm hört sich das allerdings regelmäßig so an:
„- Du siehst wirklich merkwürdig aus, Charly.
– Komm, gehen wir vor die Tür.
– Draußen schneit es, sagte Jacky.
– Komm, wir rauchen draußen eine, hast du von dem Wolf gehört, hast du nicht das Foto gesehen, nein?
– Charly, was ist mit dir, du bist so nervös.“
So interessant ist der Plot rund um Prenzlberg nun auch wieder nicht, dass man sich deswegen diese sprachliche Zumutung antun möchte. Dieser Roman ist so kalt wie sein Titel – blutleer, voller Klischees, zum Brüllen langweilig und um ein leeres Nichts herum aufgeblasen. Es ist genau die Art von Literatur, die aus den Schreiblehrgängen dieser Republik quillt. Von Schimmelpfennig hätte man etwas anderes erwartet.
Roland Schimmelpfennig: An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Roman. S. Fischer, 256 S. 19,99 Euro. eBook 18,99 Euro.