Geschrieben am 3. Mai 2016 von für Bücher, Litmag

Roman: Stewart O’Nan: Westlich des Sunset

o'nan_westlichDie letzte Chance

– Francis Scott Fitzgerald war mit Romanen wie „Der große Gatsby“ der literarische Shooting-Star der 1920er Jahre und führte zusammen mit seiner Frau Zelda ein extravagantes und exzessives Leben. Doch schon in den 30er Jahren versiegte sein Ruhm und er drohte in Vergessenheit zu geraten. Von Karsten Herrmann.

In seinem biographischen Roman „Westlich des Sunset“ widmet sich Stewart O’Nan dieser schwierigen Phase, in der Fitzgerald „durch eine Reihe von Rückschlägen, die er als Pech betrachtete, zum Heimatlosen geworden [war].“ So war seine Frau Zelda in der Psychiatrie gelandet, seine Tochter lebte bei Freunden und er war nach langen Jahren der Alkoholsucht und literarischer Erfolglosigkeit pleite. Eine letzte Chance bietet ihm Hollywood als Drehbuchautor und hier trifft er alte Bekannte wie Dorothee Parker, Humphrey Bogart, Ernest Hemingway oder Joan Crawford und tummelt sich im legendären Hotel Garden of Allah mit ihnen am Pool.

Standhaft versucht er seine Arbeit zu erfüllen und sein Leben in den Griff zu bekommen, doch von vornherein ist klar: „Es war Hollywood. Schon da zu sein war ein Kompromiss.“ Auf demütigende Weise wird er immer wieder von Drehbüchern abgezogen oder seine Bearbeitungen werden verhunzt oder schöngefärbt – so bei Remarques Romanvorlage „Drei Kameraden“, bei der sich Hollywood der nationalsozialistischen Zensur beugt, um Zutritt zum europäischen Markt zu bekommen. Eine Wende kommt in Fitzgeralds Leben, als er sich in die hübsche Klatschreporterin Sheilah Graham verliebt, die ein Ebenbild Zeldas in jungen Jahren sein zu scheint und ein Geheimnis mit sich rumträgt.

Feinfühlig und genau beschreibt Stewart O’Nan diese persönlich und beruflich schwierige Lebensphase des berühmten Literaten. Er leuchtet die moralische Zwickmühle zwischen seiner fürsorgenden Treue zu Zelda und seiner neuen Liebe aus, zeigt seine Disziplin bei seinem Job in Hollywood und sein kreatives Ringen um einen neuen Roman. Doch immer wieder sorgen seine Rückfälle in die Trunksucht für Rückschläge und führen ihn näher an den Abgrund. Über Fitgeralds biographische Entwicklung hinaus fängt Stewart O’Nan in „Westlich des Sunset“ auch die Atmosphäre und Mechanismen in der Traumfabrik Hollywood kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Mit einem manchmal etwas übertrieben wirkenden name dropping zeigt er das beschädigte Leben der Schönen und Berühmten hinter den Kulissen und so kreuzen sich individuelles Schicksal und gesellschaftliches Betriebssystem.

Karsten Herrmann

Stewart O’Nan: Westlich des Sunset. Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Rowohlt, 2016. 416 Seiten.

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