Geschrieben am 3. August 2011 von für Bücher, Litmag

Ron Leshem: Der geheime Basar

Das zweite Gesicht des Iran

– Mit der „Geheime Basar“ enthüllt uns der israelische Schriftsteller Ron Leshem ein verblüffendes zweites  Gesicht hinter dem streng verschleierten, von der islamistischen Diktatur bestimmten Leben in Irans Hauptstadt Teheran und zeigt dabei auch die weltenöffnende Macht der neuen Medien. Von Karsten Herrmann

Voller Lebenshunger zieht Leshems Protagonist Kami aus der iranischen Provinz in den Moloch der Hauptstadt, um zu studieren. Er kommt bei seiner Tante Zahra unter, die einst ein gefeierter Filmstar war und deren strahlende Karriere mit Khomeinis islamischer Revolution ein abruptes Ende fand. Im Haus der Tante hat sich mit der geheimnisvollen Safureh und dem homosexuellen Babak eine skurrile Gemeinschaft zusammengefunden, die den Verletzungen und Bedrohungen durch das Regime mit ritualisierten Klagerunden und Sarkasmus begegnet.

Leshem, Foto: Privat

Mit dem ersten eigenen Laptop und einem Internetanschluss öffnet sich für Kami und seine Mitbewohner das Tor in eine neue, fast grenzenlose Welt: Ebay, Chats, Porno und auch regimekritische Seiten finden Schlupflöcher durch die staatliche Zensur.

Zugleich lernt Kami durch seine Bekanntschaft mit der schillernden Nilufar, einer reichen Minister-Tochter und Autorennfahrerin, die Teheraner Subkultur kennen. Hier gibt  es alles, was offiziell verboten ist: Alkohol, Drogen, Pop und Rock. Kami beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit Nilufar, doch die Denunzianten und Häscher des Regimes lauern überall und der Tanz auf der Rasierklinge des Verbotenen wird immer riskanter.

Zwischen muslimischer Tradition und westlichem Lebensstil

„Der geheime Basar“ ist ein süffig und rasant geschriebener Roman, der zuweilen durchaus märchenhafte Züge annimmt. Dennoch gibt Ron Leshem  einen intensiven Einblick in das Leben zwischen den allgegenwärtigen und höchst widersprüchlichen Verboten und Schranken des islamistischen Regimes und der Sehnsucht nach Freiheit, Rausch und Ausschweifung. Er zeigt eine junge Generation, die zerrissen ist zwischen muslimischer Tradition und Regimetreue sowie dem durch das Internet angefachten  Geschmack am freien und vom Konsum bestimmten westlichen Lebensstil. Anpassung, Resignation, Flucht, Aufbegehren und die Suche nach einem Mittelweg liegen da eng beieinander.

Nicht zuletzt stellt Ron Leshem in seinem Roman auch die Frage, inwiefern das Paralleluniversum des Internets zu Ablenkung und Zerstreuung führt oder die scheinbar so unterschiedlichen Welten tatsächlich verbinden und Regime ins Schwanken bringen kann. Die jüngsten Ereignisse im arabischen Raum unterstreichen dabei eher das revolutionäre Potenzial des Internets und seiner sozialen Netzwerke.

Karsten Herrmann

Ron Leshem: Der geheime Basar. Aus dem Hebräischen von Barbara Linner. Rowohlt Berlin 2011. 430 Seiten. 22,95 Euro. Zur Homepage von Ron Leshem geht’s hier.