Geschrieben am 21. März 2012 von für Bücher, Litmag

Silvio D’Arzo: Des andern Haus

Gisela Trahms traf auf eine lit.cologne im Tranströmer-Hype – und hat dann doch ein ganz anderes Buch gelesen. Eine flanierende Rezension live aus der Kölner Buchhandlung Bittner.

Ausharren

– Die Macher der lit.cologne besitzen einen langen Atem. Als sie vor zwölf Jahren anfingen, wussten sie, dass sich niemand für einen betagten schwedischen Lyriker namens Tranströmer interessierte. Also warteten sie einfach, bis er mit achtzig den Nobelpreis erhielt und jetzt das Schauspielhaus füllen kann. Gehst du zu Tranströmer? Hast du Karten für Tranströmer? Kriegt man noch welche? Die Buchhandlung Bittner ist voll, die Kunden kennen sich und wissen Bescheid. Tranströmer liegt aus, muss man lesen, aber vielleicht nicht jetzt, kommt ja.

Zart angestaubt steht ein Büchlein von Silvio D’Arzo im Regal. Der Name klingt weich, klingt nach dunklen Locken und eklektischen Seufzern, auf jeden Fall aber nach Pseudonym und ist auch eins. Geboren 1920, gestorben 1952 an Leukämie. Die Erzählung heißt „Casa d’altri“, der italienische Erscheinungsort war die exquisite Zeitschrift Botteghe Oscure, der deutsche zunächst Insel, vor zwanzig Jahren dann die Bibliothek Suhrkamp. Seitdem steht es wahrscheinlich in diesem Regal und denkt über sich nach.

„Des andern Haus“ kreist um eine kunstvoll vorbereitete, doch schlichte Frage an einen Priester, die heute niemand mehr stellen würde, und als sie endlich gestellt ist, sackt die Geschichte in sich zusammen. Montale hat sie gerühmt, Iris Schnebel – Kaschnitz hat sie übersetzt, hilft alles nichts. Auf dem klassischen Willy-Fleckhaus-Cover prangt Nummer 1105. Vielleicht hat die Bibliothek Suhrkamp überhaupt weniger ihrer  Texte als ihrer Cover wegen überlebt. Wenn sie wie hier als sogenanntes Depot eine halbe Wand belegt, ist sie immer noch eine Augenfreude.

Silvio D’Arzo, der im Alltag Ezio Comparoni hieß und heute so alt wäre wie Marcel Reich-Ranicki, sah schon ein bisschen aus wie Elvis Presley und liebte kurze, traurige Sätze. Es ist schön, dass sie noch da sind und schön, über sie hinzulesen, im Ohr die Fragen nach Tranströmer.

Gisela Trahms

Silvio D’Arzo: Des andern Haus. Bibliothek Suhrkamp 1105.  Frankfurt, Suhrkamp 1992.
Tomas Tranströmer liest heute Abend (21.3.) im Rahmen der lit.cologne.
Foto: Buchhandlung Klaus Bittner, Köln. Mehr hier.

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