Gebrauchte Damenschlüpfer …
Irgendwer hat mal den Terminus „Humorkrimi“ erfunden. Das ist so schwachsinnig, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass es dazu auch passende Bücher geben könnte. Weit gefehlt. Joachim Feldmann ist auf seinen Streifzügen durchs Unterholz der Grimmiproduktion einem solchen Exemplar begegnet …
Er ist unverschämt, faul und geizig. Neuen Fällen widmet er sich nur ungern, und wenn er trotzdem dazu gezwungen wird, verhaftet er gern den erstbesten Verdächtigen. Die tatsächliche Ermittlungsarbeit bleibt seinem Sergeant überlassen, der zudem noch die Drinks seines notorisch klammen, aber umso durstigeren Vorgesetzten bezahlen muss. Was die Zusammenarbeit außerdem erschwert, ist die mangelhafte Körperhygiene des übergewichtigen Kriminalisten. Er sei der einzige Polizeibeamte, dessen Achselbehaarung von Schuppen befallen sei, lautet ein unbestätigtes Gerücht, das in seiner Dienststelle kursiert. Nachgeprüft hat es aus naheliegenden Gründen noch niemand.
Dass Chief Inspector Wilfred Dover – zur Verwunderung des Lesers – dennoch seine Fälle zu lösen versteht, ist seiner Erfahrung und einer gewissen Bauernschläue geschuldet.
Zwischen 1964 und 1980 hat die 1990 verstorbene englische Schriftstellerin Joyce Porter zehn Kriminalromane um den unsympathischen Ermittler veröffentlicht, die deutschen Übersetzungen erschienen als rororo-Thriller. Ein großes Lesepublikum war ihnen nicht beschieden. Vielleicht war die Zeit einfach noch nicht reif für britische Skurrilitäten dieser Art.
Tot im Häcksler, hahaha …
Heute könnte das anders aussehen. Schließlich hat Joyce Porter mit Chief Inspector Dover einen komischen Anti-Helden par excellence erfunden, dessen Präsenz genügt, um einen parodistischen Effekt zu erzeugen. Ein Muster, das in den letzten Jahren immer wieder gerne aufgegriffen wurde, wenn es darum ging, dem Kriminalgenre humoristisch zu Leibe zu rücken. Mit beachtlichem Erfolg scheint dies Sobo Swobodnik, ein auf der Schwäbischen Alb aufgewachsener und heute in Berlin lebender Autor und Filmemacher, zu tun. Vier Fälle hat er seinen Ermittler, den arbeitslosen und trinkfreudigen Schauspieler Paul Plotek, bereits für den Deutschen Taschenbuchverlag lösen lassen, nun liegt Band 5 als dickleibiges Heyne-Taschenbuch vor.
Kuhdoo heißt das vom Verlag mit viel Tamtam als „Mischung aus Klüpfel/Kobr und Wolf Haas“ angepriesene Epos, in dem ein trauriger Anlass Plotek zurück in sein Heimatdorf – und das liegt, wie man sich denken kann, auf der Schwäbischen Alb – treibt. Sein Vater steckte tot im Häcksler. Schon bald wird klar, dass er nicht auf natürlichem Wege ums Leben gekommen ist. Weitere Todesfälle lassen vermuten, dass in der nur scheinbar idyllischen Provinz ein besonders bösartiger Serienmörder unterwegs ist. Und der gewöhnlich ziemlich träge Plotek beginnt, Nachforschungen anzustellen. Dabei wird er von seinem alten Schulkameraden Vinzi, einem beinamputierten Altfreak, der seinen Lebensunterhalt mit dem Vertrieb gebrauchter Damenschlüpfer bestreitet, tatkräftig unterstützt.
Redundanz
Man sieht, dass es dem Autor nicht an Ideen, denen man eine gewisse Originalität kaum bestreiten kann, mangelt. Er versteht es auch, einen akzeptablen Krimiplot zusammenzustricken. Was ihm aber fehlt, ist ein Sinn für Erzählökonomie. Verliebt in die eigene Eloquenz reiht er Wort an Wort, Satz an Satz, ohne dass der Text an Witz gewönne. Greifen wir ein beliebiges Beispiel heraus: „Plotek griff nach dem Kuvert. Er riss es der Juniorchefin aus der Hand, steckte es in die Sakkotasche, ohne weder der Juniorchefin noch dem Brief einen weiteren Blick zu schenken, und verließ das Hotel. Die Juniorchefin blieb leicht gekränkt und ziemlich verärgert zurück. Auf dem Parkplatz vor dem Hotel überlegte Plotek kurz, ob er den im strahlenden Morgenlicht äußerst anmutigen Mercedes nehmen sollte. Doch diesen Gedanken verwarf er kurzerhand wieder.“ Und so weiter. Offenbar sitzt der Autor dem Irrtum auf, Redundanz sei per se komisch.
In den folgenden Zeilen wird geschildert, was Plotek über Golfspieler denkt – Swobodnik schreibt von Hotelgästen, die „sich von einem kleinen gelben Ball zu Narren halten ließen“, und hat schon wieder einen Schmunzelerfolg verbucht. Natürlich ist es ihm „schleierhaft, wie man in aller Herrgottsfrühe seinem Körper derartige Qualen zufügen konnte“. Doch damit ist das Thema beileibe nicht abgehandelt. Eine halbe Seite lang erläutert der Autor Ploteks Abneigung gegenüber jeder Art von körperlicher Ertüchtigung. Und der Leser gähnt. Denn wohlfeile Meinungen dieser Güteklasse gehören mittlerweile zum Standardrepertoire der Krimi-Komiker.
Geschwätzig
Grob geschätzt ließe sich Kuhdoo ohne substanziellen Verlust auf die Hälfte des jetzigen Umfangs von über 400 Seiten reduzieren. Dabei könnten auch gleich die auffälligsten stilistischen Anleihen bei Wolf Haas getilgt werden. („Klüpfel/Kobr“ kennt der Rezensent nur vom Hörensagen.) Heraus käme ein ebenso schlanker wie vergnüglicher Krimispaß. Aber wahrscheinlich lieben die Swobodnik-Fans ihren Plotek so, wie er ist: übergewichtig und geschwätzig. Für alle anderen lohnt es sich, in Antiquariaten nach alten Dover-Bänden Ausschau zu halten.
Joachim Feldmann
Sobo Swobodnik: Kuhdoo [ku:du]. Ploteks fünfter Fall. Kriminalroman.
München: Heyne 2010. 413 Seiten. 8,95 Euro.
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