Geschrieben am 18. Februar 2015 von für Bücher, Litmag

Stefan Abermann: Schatzkästlein des reinlichen Hausfreundes

Abermann_SchatzkaestleinVom Alltag ins Absurde

– Seine Freundin fragt er, von wem sie denn wohl schwanger sei, das nervende Kleinkind will er umtauschen, im Suff erkennt er sich schon mal selbst nicht wieder, und der Engel, der das göttliche Schreibstipendium überbringt, verwechselt ihn mit Vladimir Nabokov und fliegt wieder fort. Zoë Beck über Stefan Abermann, eine der bekanntesten Stimmen der österreichischen Poetry Slam-Szene.

Abermanns „Schatzkästlein des reinlichen Hausfreundes“ ist eine Auswahl seiner Slam-Texte, seine erste Sammlung. Er hat sie unterteilt in die Lebensbereich Haus, Frau, Kind, Garten und Esoterik, eine Aufteilung, die gerade in den Bereichen Garten und Esoterik eher assoziativ als wörtlich verstanden werden sollte. Die Texte sind jeweils nicht länger als zwei bis drei Seiten, Poetry Slam-Länge eben. Sie beginnen im Alltag oder dem Alltäglichen, kippen dann meist ins Surreale oder Absurde, ein paar wenige verzetteln sich in der Wortspielverliebtheit der Slammer, die auf der Bühne und live besser funktioniert als gedruckt. Dass Abermanns Texte für die Live-Performance geschrieben wurden, fordert fast dazu heraus, eben nicht still auf dem Sofa zu lesen, sondern sie selbst zu sprechen und dabei laut zu werden. Der Text „Der Kampfeinsatz“ sagt es schon in der Unterzeile: Es ist ein Text zum Schreien. Abgedruckt funktioniert er nur halb so gut. Und auch bei allen anderen geht etwas verloren, selbst wenn sie nicht zum Schreien gedacht sind.

Darin liegt ein wenig das Problem der Sammlung. Sie eignet sich hervorragend für Abermann-Fans, die seine Stimme im Ohr haben, und überhaupt für begeisterte Poetry-Slam-Gänger. Alle anderen müssen sich erst einfühlen in den Sprachrhythmus, sich der Dynamik der kurzen Texte stellen. Eine solche Sammlung ist auch nichts, was sich am Stück lesen lässt. Das wäre ermüdend. Linear lesen kann man, muss man aber nicht. Im Gegenteil macht es sehr viel mehr Freude, darin zu blättern, um dort hängenzubleiben, wo es einen packt.

Zu packen, das schafft Abermann immer wieder. Mit seiner vergnüglichen Putin-Polemik „Die heißesten Winterspiele seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen“, mit „Open Source“, seinem Vorschlag, wie der Datensammelwut im Internet zu begegnen sei, und dann wieder mit leisen, nachdenklicheren, auch liebevollen Tönen, die zwar selten sind, aber eben nicht fehlen. Die meisten Texte finden sich in im Bereich „Kind“. Da geht es um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Erwachsenwerden, um die Veränderungen in der Beziehung zur Partnerin, zur Welt, zu sich selbst, da geht es auch ums Babyschwimmen nach durchsoffener Nacht und um Elternsprechstunden, die deutlich explosiv enden.

Der Innsbrucker Stefan Abermann zählt zu den bekanntesten Stimmen der österreichischen Poetry Slam-Szene und tritt seit über zehn Jahren mit seinen Texten auf. Anzusehen sind seine Auftritte auch als Video im Internet, die zusätzliche Dimension, die das gedruckte Buch allein nicht schaffen kann, lässt sich dort bei Bedarf finden. Das „Schatzkästlein des reinlichen Hausfreundes“ zeigt repräsentativ im Übrigen auch die Lage der deutschsprachigen Poetry Slam-Szene: Das Humoristische steht hoch im Kurs, das Persönliche, Häusliche, Biedermeierhafte fast schon ist großes Thema. Mehr Sozialkritisches und Politisches wünscht man sich da, wie auch direkt von Stefan Abermann, denn es klingt immer wieder an, dass er es könnte. Er selbst schreibt in „Die Entstehung der internationalen Slamszene“ im letzten Satz: „Wir reden, denn die Welt ist unsere Bühne. Und nur hier sind wir frei.“ Diese Freiheit sollte er mehr nutzen.

Zoë Beck

Stefan Abermann: Schatzkästlein des reinlichen Hausfreundes. Texte für den Hausgebrauch. Milena Verlag 2014. 180 Seiten. 17,90 Euro.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im SWR Radio.

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