Leistungselite der deutschen Satire
Der Wälzer beginnt, wie es sich für ein Standardwerk gehört, mit einer Widmung an den Leser: „Egal, woran Sie glauben, was Sie gut finden, wem Sie vertrauen oder wen Sie bewundern – wir sind dagegen! (Und das seit 1979) In Liebe, Ihre TITANIC“. Diese Punk-Attitüde ist der Auftakt zu einem Werk, mit dessen mehr als 400 Seiten man ganze Sonntagnachmittage sinnvoll verbringen kann, schlägt Tina Manske vor…
… denn es bietet eine ausgiebige Rückschau auf das Schaffen der einzigen ernstzunehmenden Satirezeitschrift dieses Landes. Eine Rückschau also auf das, was die Leistungselite der deutschen Satire in 30 Jahren alles geschafft hat.
Und das ist einiges; man denke nur an die telegene Verarschung von Thomas Gottschalk bei „Wetten, daß…?“, als der damalige Chefredakteur Bernd Fritz behauptete, am Geschmack von Buntstiften deren Farbe erkennen zu können (während er geschickt unter der Augenmaske hervorlinste), an die Erfindung einer Birne namens Helmut Kohl und eines Comichelden namens „Genschman“, an die legendäre „Hitler privat“-Reihe von Achim Greser und Bernd Pfarrs „Sondermann“. Dazu all die verbotenen Ausgaben, Gerichtsverfahren, einstweiligen Verfügungen und Unterlassungserklärungen, die den Weg des Blattes pflastern. Die jüngere Geschichte kennt den Triumph, durch gezielte Bestechung eines Juroren Südafrika bei der Wahl des Ausrichtungsortes der Fußball-WM 2006 übertrumpft und die WM nach Deutschland geholt zu haben, sowie die Gründung der „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI)“.
Zu all dem gibt es im vorliegenden Jubiläumsband reichlich Stoff, aber natürlich auch ein Wiedersehen mit anderen alten Bekannten: Gary Larson und Walter Moers, deren beider Zeichnungen die Titanic als erste deutsche Zeitschrift überhaupt druckte; Brösels „Werner“; Katz & Goldt; Hans Traxler; Rudi Hurzlmeier; Kamagurka; Rattelschneck u. u. u.
Aus den Trümmern…
Peter Knorr nimmt uns zudem mit ins Jahr 1979 und erzählt, wie die Gründungsbesatzung (unter anderen Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, Hilke Raddatz, F. K. Waechter, Bernd Eilert und Eckhard Henscheid) sich aus den Trümmern von „Pardon“ neu erschuf. Was zunächst „Sonne“ heißen sollte, wurde – weil der Name schon vergeben war – die „Titanic“. Nicht Journalisten waren’s, die hier zusammenkamen, sondern Künstler: Zeichner, Dichter, Schriftsteller und Cartoonisten. Schon deshalb ragte die Qualität dieser Zeitschrifteninstitution schon immer aus dem Einheitsbrei der deutschen Publizistik heraus.
Dietmar Dath, dessen schriftstellerische Karriere unter anderem bei Titanic begann, beantwortet in seinem kurzen Beitrag die Frage, wozu man im Jahr 2009 überhaupt eine Satirezeitschrift braucht: „Satire ist Stretching; geboxt wird – wenn wir Glück haben – später.“
Tina Manske
Peter Knorr, Oliver Maria Schmitt, Martin Sonneborn, Mark-Stefan Tietze (Hg.) u.a.: Titanic. Das Erstbeste aus 30 Jahren. Rowohlt BERLIN, 2009. Hardcover. 416 Seiten. 25,00 Euro.