Geschrieben am 22. November 2014 von für Bücher, Crimemag

Tom Clancy/Mark Greaney: Command Authority

Command Authority von Tom ClancyDer Kalte Krieg lebt

– Good news für Kalte Krieger. Putin baut sich die gute, alte Sowjetunion wieder auf (minus ethnischen Minderheiten), die Amis haben was dagegen, die Europäer gucken dumm aus der Wäsche, und alle prügeln sich wieder fröhlich wie anno dunnemals. Selbst posthum schafft es Tom Clancy, mit seinem drolligen, aber manchmal auch sehr unterhaltsamen Weltbild, so zu tun, als liefere er der Realität die Drehbücher: „Command Authority. Kampf um die Krim“ heißt deswegen auch landserstramm seine neuestes Werk. Aber dennoch hat sich Thomas Wörtche köstlich amüsiert.

„Wenn ich will, kann ich in zwei Wochen Kiew einnehmen“, soll Wladimir Putin Anfang September in einem Telefonat mit dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso gesagt haben. Noch hat Putin es nicht getan.

Aber beinahe – wenn man „Command Authority. Kampf um die Krim“, dem neuen, wenn auch posthumen Roman von Tom Clancy glauben möchte, in dem man auch nachlesen kann, warum es letztendlich doch (noch?) keinen Krieg zwischen der NATO und Russland gegeben hat. Besagter Roman stammt aus dem Jahr 2013, am 1. Oktober 2013 ist Tom Clancy allerdings gestorben. Wie hoch also der Anteil des als Co-Autor angeführten Mark Greaney ist, soll die Clancy-Philologie herausfinden.

Bemerkenswert ist allerdings, wie Clancy die „Ukraine-Krise“ schon mindestens ein Jahr vor der militärischen Eskalation zum Hintergrund eines seiner dickleibigen Politthriller um seine Helden Jack Ryan senior und junior macht. Putin heißt bei Clancy nicht Putin, sondern Walerij Worodin, aber Worodin ist Putin. Von der gleichen Physiologie und Physiognomie, mit dem gleichen KGB-Hintergrund, mit dem gleichen populistischen Charme und dem Image des leicht schmierigen womanizers. Am Anfang des Romans versucht Russland, Estland zu schnappen, wird aber von ein paar tapferen NATO-Truppen, die natürlich Amerikaner sind, gestoppt.

Aha, sagt sich Worodin, testen wir aber mal, was passiert, wenn wir uns die Krim zurückholen, die historisch sowieso russisch ist, und schauen wir weiter, was passiert, wenn wir die östlichen Teile der Ukraine destabilisieren und schließlich direkt auf Kiew zielen. Die Destabilisierung der Ukraine erfolgt mithilfe eingeschleuster „prorussischer“ Aktivisten, mit hohem Propaganda-Aufwand und materiellen Versprechungen an die nicht-ukrainischen Bevölkerungsanteile und setzt auf ein unentschlossenes und zögerliches Europa, weil das ja an Moskaus Energiehähnen hängt.

Tom Clancy (© David Burnett/Randomhouse)

Tom Clancy (© David Burnett/Randomhouse)

Die Spießgesellen im Kreml

Worodin will das alte sowjetische Imperium wiederherstellen und dadurch mit seinen Spießgesellen im Kreml ungeheure Reichtümer anhäufen. Deswegen scheut Clancys Worodin auch nicht, direkt mit dem organisierten Verbrechen zu kooperieren, das für ihn die Dreckarbeit macht. Natürlich legt er die auch auf’s Kreuz und das hätte er nicht machen dürfen. Denn als die Amis das alles herausbekommen, haben sie endlich den Hebel, um Worodin zu stoppen. Präsident Jack Ryan telefoniert mit Worodin und gut ist. So geht Weltpolitik.

Was der US-Präsident, der sogar nicht an Obama erinnert, au contraire, seinem Rivalen ins Ohr flüstert, hat mit einer alten Story zu tun, die mehr oder weniger Putins/Worodins Aufstieg zur Macht nachzeichnen soll. Schon zu Zeiten von Glasnost hatte der nämlich beschlossen, dereinst die Macht zu übernehmen und sich die Zusammenarbeit von Geheimdiensten und russischer „Mafia“ gesichert, in dem er beide Seiten betrügt. Diese den Roman oft dominierende Vorgeschichte erzählt Clancy zäh wie Leder – elegante und dynamische Prosa waren nie sein Ding. Auch dieser neue Roman ist ein Debakel der Erzählökonomie, hunderte Seiten von Infodialogen für’s Publikum, blödsinnige Balgereien, abwegige Heldentaten und unerträglich bornierter US-Patriotismus. Nichts Neues aus Clancy-Land also.

Dann halt nicht

Vor allem schießt sich Clancy mit seiner Mischung aus Gangsterdrama und Politszenario, das mehr von „Arturo Ui“ hat, als ihm vermutlich bewusst und recht ist, selbst ins Knie. Alles rutscht aus der Balance. Die Ukraine interessiert Clancy überhaupt nicht, die verschiedenen Fraktionen dort sind ihm schnuppe, so wird zum Beispiel aus der pro-westlichen (wenn auch korrupten und auch sonst dubiosen) Julija Tymoschenko die stramm pro-russische Oksana Zajewa und das Poloniumattentat auf Alexander Litwinenko im Jahr 2006 steht bei Clancy keinesfalls im Zusammenhang der Kämpfe zwischen dem Oligarch Beresowski und dem Kreml, sondern einfach als Chiffre für die schlimmen Methoden von Putin-Lookalike Worodin.

Aber eben dennoch: Ein gewisses realpolitisches Gespür, wie ein Ukraine-Szenario laufen könnte und wie es tatsächlich immer noch läuft, kann man dem alten Kalten Krieger Clancy nicht absprechen. Sein böser und einseitiger Blick vermag ein paar Grundkonstellationen sehr klar zu erkennen. Als Drehbuch für Putin oder als Handbuch zur Bewältigung einer realpolitisch prekären Krise jedoch taugt der Roman eher nicht. Außer wir gehen davon aus, dass Obama was ganz, ganz Fieses über Putin weiß und der dann sagt: Püü, Ukraine, na dann eben nicht.

Vermutlich funktioniert die richtige Welt doch nicht so, obwohl …

Thomas Wörtche

Tom Clancy/Mark Greaney: Command Authority. Kampf um die Krim (Command Authority, 2013). Roman. Deutsch von Michael Bayer. München: Heyne 2014. 846 Seiten. 24,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch, zur Autorenwebsite.
Dieser Text ist eine extendend version eines Beitrags für Deutschlandradio Kultur vom 20.11.2014.

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