Elegant perlende und sprühende Prosa
Truman Capote erlebt derzeit eine Renaissance: Mit dem Oscar-prämierten „Capote: A Biography“ von Bennet Miller und dem gerade abgedrehten „Infamous“ von Douglas McGrath widmen sich gleich zwei Kino-Großproduktionen dem literarischen Shootingstar der 40er Jahre. Parallel dazu ist mit „Sommerdiebe“ nun auch noch Capotes kürzlich bei einer Sotheby-Versteigerung entdecktes wahres Debüt erstmals auf den Markt gekommen und wird als literarische Sensation gehandelt – Anlass genug für den „Kein & Aber“-Verlag mit dieser Entdeckung eine komplett neu editierte und überarbeitete Capote-Werkausgabe zu starten.
Truman Capote erzählt in „Sommerdiebe“ die Geschichte der 17 jährigen Grady, einem hübschen und eigensinnigen Mädchen von der Upper East Side New Yorks. Während ihre reichen Eltern den Sommer in Europa verbringen, bleibt sie alleine in der Stadtwohnung zurück mit „einer freudigen Erregung angesichts dieses Sommers, der sich vor ihr erstreckte wie eine endlose weiße Leinwand“. Unberührt von gesellschaftlichen Schranken und geplagt von der „nicht zu mildernden Langeweile des alltäglichen Lebens“ beginnt sie eine Affäre mit dem jüdischen, aus Brooklyn stammenden Parkplatzwächter Clyde Manzer. Wie Schmetterlinge torkeln und flattern sie durch ihre unmögliche und von Fallstricken umgebende Liebe, der schließlich ein dramatische Ende droht.
Das Debüt des 19jährigen Capote ist mit einer erstaunlichen Souveränität geschrieben und zeigt schon ein außergewöhnliches Talent: Elegant perlt, flirrt und sprüht seine Prosa mit einem ganz eigenen Sound dahin. Wechselseitig gibt sie sich dabei dem Takt der unter der schwülen Hitze des Sommers stöhnenden Großstadt New York und dem Ennui der vom 2. Weltkrieg scheinbar gänzlich unberührten Jeunesse dorée hin. Autobiographisch spiegeln sich in „Sommerdiebe“ so auch Capotes Einblicke in die New Yorker High Society, die sich ihm durch seine Freundschaft mit Gloria Vanderbilt und Oona O’Neill ergaben.
Auch wenn „Sommerdiebe“ noch kein lupenreines Meisterwerk ist, so bietet es doch eine wunderbare Gelegenheit, um den in einem Atemzug mit William Faulkner oder Carson McCullers zu nennenden Autor von Romanen wie „Frühstück bei Tiffany“ oder „Kaltblütig“ neu zu entdecken.
Karsten Herrmann
Truman Capote: Sommerdiebe. Kein & Aber, 160 S., 16,90 Euro