Geschrieben am 30. September 2007 von für Bücher, Litmag

Ulrich Peltzer: Teil der Lösung

Berlin Sony-Center

Ulrich Peltzer ist derzeit einer der spannendsten deutschen Gegenwartsautoren, der sich auf avancierte Weise den rasanten Veränderungen unserer Zeit und der von der Postmoderne konstatierten „Agonie des Realen“ stellt – dies unterstreicht er einmal mehr in seinem neuen Roman „Teil der Lösung“.

Ein stetiger Protagonist in Ulrich Peltzers Werken ist Berlin, ist der urbane Raum mit seinen Abermillionen „Codes und Gegencodes“, mit seinen spiegelnden Glasfassaden, Reklamen, Lichtern und Warenzeichen. Doch das seit Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ Literatur gewordene pulsierende und enervierende Großstadtleben wird im neuen Jahrtausend mehr und mehr durch die „Schwundstufen der Realität“ ersetzt – die Realität der Datenströme, der Medien- und der sich krebsgeschwürartig ausbreitenden Kontroll- und Überwachungsbilder. Exemplarisch verdichtet ist diese neue Realität im Sony-Center am Potsdamer Platz, „im Herzen des städtischen Umbaus, der Vision eines Systems ohne Reibungsverluste. Dem Nervensystem ihres neuen Kapitalismus.“

Wilde Liebe auf fragilen Füßen

Neben Berlin spielen in Peltzers neuen Roman der Schriftsteller, Lohnschreiber und Journalist Christian Eich und die Studentin Nele zentrale Rollen. Während der eine auf den vergangenen Spuren des Terrorismus der 70er Jahre wandelt und auf eine gute Story hofft, ist Nele Teil eines Widerstandes, der sich in der schönen neuen Welt des Sony Centers rührt – zunächst spielerisch als Performance, dann in die Spirale der Gewalt und ins Visier des Verfassungsschutzes geratend. Die Wege der beiden kreuzen sich und münden in eine wilde Liebe auf fragilen Füßen.

Rasender Stilstand

Atmosphärisch dicht und differenziert erfasst Ulrich Peltzer das Lebensgefühlt einer intellektuellen Generation in den 30ern, deren Wahrnehmungen und Gedanken durch den rasenden Stillstand im Herz der Metropolen und die flutenden Medienbilder geprägt sind. Sie stehen auf der Schwelle zwischen Anpassung und Widerstand, zwischen Idealen und ihrem schleichenden Verrat. Geschliffen zeichnet Peltzer die Diskurse und rhetorischen Spiegelfechtereien dieser Generation nach und erreicht dabei in manchen Dialogen Shakespeare-Format.

„Teil der Lösung“ ist ein vielschichtiger und faszinierender Roman, in dem sich avancierte Metropolenliteratur mit einer Liebesgeschichte und der Frage nach der Möglichkeit von Widerstand verbindet. Auch wenn viele Fragen offen bleiben, wird eines klar: „Das Schweigen. Das ist der Tod.“

Karsten Herrmann

Ulrich Peltzer: Teil der Lösung. Amman 2007. 460 Seiten. 19,90 Euro.