Geschrieben am 13. Februar 2004 von für Bücher

Veit Heinichen: Die Toten vom Karst

In den Schluchten Istriens

In Veit Heinichens fesselndem Debut „Gib jedem seinen eigenen Tod“ lachte noch die Sonne über Triest und mit seinem Comissario Laurenti tauchte der Leser tief ein in das mediterrane Azur von Himmel und Meer. Im zweiten Fall von Laurenti fegt nun die ungemütliche Bora Nera über Triest und bringt Schnee und Schafskälte. Doch nicht alleine das Wetter schlägt dem sympathischen Comissario schwer auf das Gemüt: Auch seine Frau hat ihn verlassen und sein Sohn Mario treibt sich in gefährlicher Gesellschaft herum – schlechte Vorzeichen für knisternde Kriminalistik?

Laurentis Fall beginnt mit einem großen Knall: In einem kleinen Dorf im Karst wird ein Feinkosthändler aus Triest zusammen mit seiner Familie in die Luft gejagt. Die Spuren sind dünn und diffus: Geht der Anschlag auf die aus Kroatien stammende Familie auf das Konto von italienischen Neofaschisten? Ist es eine Abrechung unter Schmugglern? Oder handelt es sich um eine Blutrache, deren Anfänge weit in die Vergangenheit zurückweist? Als wenig später auch noch ein italienischer Fischer tot in den Bergen aufgefunden wird – gekreuzigt auf einem Drahtgestellt und mit einer Harpune erschossen – beginnen sich für Laurenti die dunklen Zusammenhänge ganz langsam zu lichten.

Veit Heinichen führt den Leser mit seinem zweiten Krimi tief in die wechselvolle Geschichte Istriens – ein Landstrich in dem man nie weiß, „welchen Paß man morgen hat“ und in dem sich gegen Ende des 2. Weltkrieges italienische Faschisten, kommunistische Tito-Partisanen, Kollaborateure und Kriegsgewinnler blutige Auseinandersetzungen lieferten. Die Opfer verschwanden zu tausenden und nicht selten für immer in den „Foibes“, tiefen Steinspalten im Karst – und in diese Abgründe weisen auch Laurentis Spuren.

Neben den geschichtlichen Hintergründen bietet Heinichen auch wieder atmosphärisch dichtes Lokalkolorit aus dem gegenwärtigen Melting-Pot Triest und zoomt uns den menschlich-allzumenschlichen Comissario mit all seinen Sorgen und Marotten ganz nah heran. Doch über die offensichtliche Faszination für seine langjährige Wahl-Heimat Triest und ihre Mentalitäten verliert Heinichen den Spannungsaufbau allzu sehr aus den Augen: Ohne dramaturgischen Zug und Pfiff dümpelt der Fall bis zum wenig überraschenden Ende dahin und lässt dabei auch noch allzu viele Fragen offen – so bleibt zu hoffen, dass beim nächsten Fall von Laurenti wieder die Sonne über Triest scheint!

Karsten Herrmann

Veit Heinichen: Die Toten vom Karst. Zsolnay, 365 S.,19,90Euro.