Für die Insel …
Die Schweden-Welle rollt und rollt. Und allmählich rollt sie sogar aus. Trotzdem findet man hin und wieder ein ganz charmantes, wenn auch nicht sehr belangvolles Teilchen zum Wegknabbern. Joachim Feldmann hat einen Urlaubstipp …
„Seit dem Tag, an dem ich als kleines neugeborenes Baby zum ersten Mal hinaus nach Sandhamn kam, wo meine Familie seit hundert Jahren ein Sommerhaus besitzt, liebe ich diese Insel“, erklärt uns die Krimi-Novizin Viveca Sten, im Hauptberuf Chefjuristin der schwedischen Post, im Nachwort zu ihrem Debütroman. Die Idee, hier eine Kriminalgeschichte spielen zu lassen, sei „einfach unwiderstehlich“ gewesen.
Unwiderstehlich sind Bücher dieser Art auch für deutsche Verlage, die am offenbar immer noch florierenden Geschäft mit skandinavischen Kriminalromanen teilhaben wollen. Deshalb liegt jetzt ein strammes Paperback von fast 380 Seiten mit dem Titel Tödlicher Mittsommer vor uns.
Gleich drei seltsame Todesfälle erschüttern die Inselidylle. Aufgeklärt werden sie ab Seite 320, als der attraktive Kriminalkommissar Thomas Andreasson und seine Kollegin Carina endlich die Wohnung des ersten Opfers gründlich durchsuchen. Vorher haben die beiden Ermittler eine falsche Fährte verfolgt. Die verbleibenden Seiten des Romans nutzt die Autorin, um ein wenig Spannung aufkommen zu lassen. Den Mörder zu kennen und ihn dingfest zu machen, sind schließlich zwei verschiedene Dinge.
Autorin Viveca Sten
Dürftiger Plot
Wer nun meint, solch ein Plot sei ein wenig dürftig für einen Kriminalroman, liegt sicher nicht ganz falsch. Doch Viveca Sten hat mehr zu bieten. So zeigt sie mit der ebenso engagiert wie ausführlich geschilderten Geschichte der Ehekrise einer Jugendfreundin des Ermittlers, die mit ihrer Familie auf der Insel Urlaub macht, dass es auch in Schweden Männer gibt, die ein ausgesprochen traditionelles Rollenverhalten pflegen. Wem diese Anleihen beim Schicksalsroman noch nicht reichen, der darf sich an den Reiseführerqualitäten des Buches erfreuen. Es gibt nämlich viel über die Inseln im Schärengarten vor Stockholm zu erzählen, und das tut die Autorin mit Leidenschaft. „Tödlicher Mittsommer ist ein Kriminalroman, der beim Leser den tiefen Wunsch weckt, selbst den Sommer auf Sandhamn zu verbringen“, verspricht der Klappentext. Eine leere Drohung ist das nicht.
Joachim Feldmann
Viveca Sten: Tödlicher Mittsommer. (I de lugnaste vatten, 2008).
Aus dem Schwedischen von Dagmar Lendt.
Köln: Kiepenheuer & Witsch. 378 Seiten. 14,95 Euro.