Geschrieben am 27. März 2010 von für Bücher, Crimemag

Yishai Sarid: Limassol

Frieden gibt es nicht

Yishai Sarid wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nach mehreren Jahren als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee studierte er in Jerusalem Jura und machte anschließend in Harvard seine Abschluss in Öffentliche Verwaltung. Zu Beginn seiner juristischen Tätigkeit arbeitete er als Staatsanwalt, heute dagegen wirkt er als Rechtsanwalt. Mit Limassol, seinem zweiten Kriminalroman, liegt nun erstmals ein Werk von ihm in deutscher Übersetzung vor. Ein Kauftipp vom Krimibuchhändler unseres Vertrauens, Christian Koch.

In Jerusalem wird ein israelischer Geheimdienstmitarbeiter auf die Schriftstellerin Daphna angesetzt. Über sie soll der Kontakt zu einem todkranken Dichter aus dem Gazastreifen hergestellt werden, dessen Sohn als einer der führenden Köpfe der Hisbollah verdächtigt wird. Als humane Geste getarnt, lässt der Geheimdienst den Dichter Hani in ein Jerusalemer Krankenhaus überführen. Von hier aus soll er die Agenten auf die Spur seines Sohnes bringen. Als Hani vor seinem Tod diesen noch einmal kontaktiert und ein letztes gemeinsames Treffen auf Zypern anstrebt, scheint der Plan der Agenten aufzugehen.

Aber auch bei dem namenlosen Geheimdienstler rast alles auf ein dramatisches Finale zu. Bei einem Verhör stirbt einer seiner Häftlinge. Seine Frau verlässt ihn und reist mit dem gemeinsamen Sohn in die USA. Zu allem Überfluss muss er sich auch noch um einen Junkie kümmern. Dieser, Daphnas Sohn, schuldet den falschen Leuten 75.000 Dollar und taucht unter. Daphna verlangt vom Agenten die Überlebensgarantie für ihren Sohn, ansonsten droht sie mit Verweigerung der weiteren Zusammenarbeit.

Fragwürdige Aktualisierung

Ausgelöst durch den vermeintlichen Geheimdiensteinsatz der Israelis vom Januar 2010 in Dubai wird momentan in diversen Medien (mehr unten) die Aktualität von Limassol hervorgehoben. Das ist nicht falsch. Aber schade, dass in diesen Artikeln der Romaninhalt größtenteils darüber vergessen wird. Das Detail überwölbt alles andere. Aber nicht wegen dieser Einzelheit beeindruckt dieser Roman, sondern wegen des klaren Benennens, was in dieser Region seit Jahren Alltag ist. Genauso wie der Geheimdienstmitarbeiter vom Überzeugten zum zweifelnden Abtrünnigen wird, macht auch der Leser genau diese Wandlung durch. Die Lektüre von Yishai Sarids Limassol erzwingt nämlich das „Überprüfenmüssen“ des eigenen Standpunktes anhand des Textes.

Yishai Sarid provoziert also. Aber, so what? Kriminalliteratur aus und in Israel spielend, müssen wir ja nicht immer nur mit Batya Gur oder Shulamit Lapid gleichsetzen.

Die englischsprachige Übersetzung von Limassol, die im Dezember 2010 bei Europa Editions erscheinen wird, hat übrigens ein anderes Titelbild als die deutsche Übersetzung: Es ist ein Holzstuhl, blutbefleckt, im Scheinwerferlicht einer Verhörlampe …

Christian Koch

Yishai Sarid: Limassol (Limassol, 2009). Roman.
Aus dem Hebräischen von Helene Seidler.
Zürich: Kein & Aber 2010. 206 Seiten. 16,90 Euro.

| Süddeutsche über Limassol
| Focus überLimassol
| Spiegel über Limassol
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