Hans Thill
Die Beamten des Himmels (Agamben)
IV. Die Heilige Herrschaft
1.
Sie tragen das Haar wie ein Rumi.
Mittlere Länge wo nicht lockig bis über
den Kragen. Sie wurden als Ibn Arabi
mit Klingen gestählt, spezialisiert
auf Nacken (die Freiheit der Nacken)
2.
der Schmutz der Welt lässt auch sie
nicht ganz kalt. Vor einer Gefahr reagieren
sie als ein Hirte, der das Schwein über
die Erde treibt
3
männlich bis zur Nase und darüber von
horribler Intelligenz. Ein Wurm
kommt ihnen aus dem Mund, sobald
sie ihren Zorn verschweigen. Sie sind
nervös, schlafen dann doch
4
statt zu kämpfen. Sie haben den
leichtesten Schritt, da ihnen der
tausendfüssige Tag seine Netze leiht,
Dschinnen aus Djenin.
5
Die Aufständischen sind längst mit
Manna sediert. Ihre Brüder laufen sich
die Sandalen wund auf Ozeanen aus
Asche wie in einem italienischen
Film
6
als Vorwand für verhülltes Fleisch
und einen Vulkan, der auf eisernen
Füßen zum Bett der Geliebten hinkt.
Viele sitzen auf der Haut, nehmen
nie rechtzeitig Geld in
die Hand
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rennen mit törichtem Öl in den Lampen
auf Felsen, die nichts zeigen als salzige
Gischt, geschweige ein Schiff voller Männer,
die ihre Pfunde bereuen oder hinter
der Entfernung ein verdienter Sieg
Hans Thill
zwölf – douze – twelve
Das Wort Zwölf
ist das, in dem die Wölfe heulen.
Die Ungeduld ist zwölf Kilo Hackfleisch
schwer. Der zwölfte Schluck kommt
aus dem Meer. Das zwölfte Öl hilft
gegen rätselhafte Leiden. Apolodor
hält kein Versprechen. Der zwölfte
Sowieso wird nimmer schweigen.
Die zwölfte Elfe hat jetzt einen
Architekten. Zwölf Hotels passen
lässig in ein Loch. Im Garten nebenan
ißt man sein Brot mit Erde.
Um zwölf, um zwölf
Le Mot Douze
connait la doute qui gouverne tout les
mots en d. Il y a peu de lumière a
l´interieur ou ça sent de foin coupé.
L` impatience pèse douze kilo de porc
haché, douze gouttes et la mer sera
vidée. En douze jours L´Iliade
se lit en soi même. Apolodor s´appelle
le prof qui tutoye tous le reste.
D´ou venez-vous ma p´tite elfe?
Douze éléments seront la joie de tous
les diables en Zélande: Ma mère, mon père,
en drap, en drille. A midi. A midi.
Twelve as a Word
is filled with swords and the sound
of tweezers. Impatience weight is
twelve pounds of mince. Inside the
word the darkness rules, it smells
like straw and litter. Some oil will
help Apolodor to go insane. Ocean is
twelve drops of salt and something else.
In garden twelve you may have
bread with earth, so do the strand
and listen to the twelvelight. at home
my mother in tweed, my father in tin.
at twelve, at twelve.
Hans Thill
Die Beamten des Himmels (Agamben)
III Engel im Außendienst
1
Ich spitze mein Blei an der Haut, die
hornig zwischen den Fingern wächst.
Ich zähle bis acht, dann ist der Platz
in meinem Innern bereits überfüllt
2
Versammlung der Engel, bevor sie zu
reinem Licht erlöschen, bzw. die Finsternis
verdünnen mit Terpentin. Zwei, drei
von ihnen sind bereits zu Steinen
konzentriert
3
die man über die Erdkruste rollt,
um sie zu Bergen zu türmen. Ein
Sisyphus schmunzelt als Scherz
des Schöpfers
4
und uns fehlt die Sprache in diesem
Bereich, wo bereits ein Knurren
als Befehl gilt. Unter den Reisenden
ist die Sucht nach einem Wort
Strafe genug
5
schlimmer aber dann die
Verdrossenheit des Worts, gestoßene
Hörner, Kummer, unter dem vor allem
Frauen leiden, falls man das noch
Außendienst nennen darf
6
und nicht bereits Spießruten oder
Unterschlupf in einem feindlichen Element.
Jetzt legt sich die Sphäre in Falten aus
Gedankenmusik und der
abgestandenen Hitze des Pleistozän.
7
Ausnahmefleisch, Lust an Industria,
Theorie der Lücken, der Brocken
dazwischen aus irgendeinem
Kalifenlatein. Schau der Tänzerin in
die Augen. Wurde nicht die O
bereits von hier
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abgeschickt? Durch die kalte Kalahari
als wäre sie eine Schattin und kein
pflanzlicher Anflug von Atemlosigkeit
beim Akt?
Hans Thill
Die Beamten des Himmels (Agamben)
II Politik der Akklamation
1
In der Sphäre übersetzen sich die Rufe der
Wesen, sie klingen in unseren Ohren wie
ein gefährliches Geräusch. Einer von uns
möchte den Rocksaum des Fürsten
gesehen haben
2
doch warten wir seit Tagen vergeblich
auf die Waffen der fliegenden Geister
mit ihren Fahnen und Kraftliedern
vom Aufstand der Welt. Eine alte
Zwischenrevolte, Laune des Lichts,
3
zu bannen auf irdischem Papier.
Gleich reisst sich die Luft in Stücke,
wir auf Knien, gescheit wie Ministranden.
Wer jetzt schweigt, wird nie mehr
Freundschaft schließen
4
mit dem Mangel. So geht es drei zu drei
wie beim Kampf mit dem Engel oder wenn die
Feuerwehr am frühen Nachmittag ihre
Schläuche trocknet. Noch nie brannte ein
Kopfschmerz so unterm Haar,
5
noch nie waren unsere Körper so schwer
in ihren Klamotten. Das ist der Staub
der Schmetterlinge in einem dänischen
Tal. Inger, damals war dein Glas bereits
neun mal leerer und leerer und die Kellner
der Ultrawelt steckten
6
bis zum Hals im Feierabend. An
diesem Abend fielen die Stunden
in einen Briefschlitz, hinter dem sich
die Dunkelheit einrollte wie ein Stück
Stoff oder der Mantel eines Rumänen,
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denn fahl ist die Haut der Beamten.
Eine Jupitersonne kann keine Abhilfe
gegen den schlechten Atem der Altengel
sein, und ihre Stimmen klingen wie
Greisinnen auf dem Rückweg vom
Konvent: Wir hatten Blei in den Venen als
wäre es Ingwer,
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waren wund von den Schnäbeln des
Vogels Lop
Hans Thill
Die Beamten des Himmels (Agamben)
I Himmlische Öffentlichkeit
1
Ich sende meinen Avatar durch eine Schleuse
in die leuchtenden Felder der Welt nebenan.
Er nahm mein Großhirn mit und ein Pausenbrot
aus der jüngeren Zeit. Er soll gründlich sein im
Zählen und schwerhörig im Verkehr. Ich ernenne
meinen Avatar
2.
zum Beauftragten. Seine Haut ist fahl
und die Sonne mit ihrem Baulärm läßt ihn
kalt. Ich lehre ihn Nebelkritik, Umgehung der
Wetter. Meine Geduld webe ich
in einen Teppich, der die Wüste verrät.
Wenn ein Kondensstreifen sichtbar wird
3.
haben wir schon den stärksten Schnaps
im Glas. Es ist kalt im öffentlichen
Himmel. Auf den Gipfeln der Kontinente
Wesen aus Asche und geschmolzener Luft,
tropisch gefärbt, zusammengefickt mit Zischlauten
4.
sie heißen Blaise und Suso und sie fliehen ins
Feuer vor der liegenden Acht, einer Formation von
Ruderern. Die Überseekonferenz möchte
anderswo tagen. Ich sende meinen zweiten
Avatar mit Dienstmütze. Er hat den Befehl
5.
sich jeder Musik zu enthalten und
dem Rauschen im Zwischenbereich zu
widerstehen als wäre es eine Frau. Ich habe
es eilig, das Sanskrit muss gelesen sein.
Auf der letzten Seite Schattenkritik,
gefärbte Vögel, eine Gebrauchsanweisung
6.
Jetzt höre ich die Motoren der Obleute und
das schreckliche Hungergeschrei. Man füttert
die Engel mit Kreide und Glas. Man gibt ihnen
zu trinken, damit sie die Sitzung nicht stören.
Wir warten seit Stunden
7.
kein Avatar und das Geld ist weg. Die
öffentlichen Himmel haben heute geschlossen.
Wir suchen in Schubladen nach einem
Schlangenparagrafen ein bißchen
Elektrizität
Hans Thill
Die fünfte Wand im Raum ist die Leinwand
»Anfangs malten sie nebeneinander auf dieselbe Leinwand (the pianistic painting). Manchmal malte einer über dem anderen (the totem painting); manchmal hatte einer allein ein langweiliges Bild gemalt und der andere übermalte es mit einem lustigen Bild (the biksemad-and-egg painting). Manchmal hatte einer allein ein lustiges Bild gemalt und der andere übermalte es mit einem lustigen Bild (the stratificated painting). Sie behaupten, niemals habe einer ein langweiliges Bild auf das langweilige Bild des anderen gemalt (deshalb bleibt dieses System ohne Namen). Aber die Lösung aller Lösungen ist die simultane Mischung ganz ohne Verortung im Raum (the jam-session-painting).«
Christian Dotremont über die Malexperimente von Pierre Alechinsky und Walasse Ting im Jahr 1963
in: Christian Dotremont, Peintures à quatre mains II, in: »L´Arbre et L´Arme«, Galilée, Paris 2007, Seite 88-89
Hans Thill
Lied der Erntemaschine
aus Edenkoben: ich sehne mich nach den traurigen
Flüssen Slawiens und ihrer Koseform. Nach der
Tinte, mit der Prof. Old die Verssuppe würzt.
Nach jedem siebten Piep von Supermann
mit seiner Rentnerstimme (er hat eine Grille
verschluckt). Nach Tweety und seinen Kameraden
in einem astralen Kaff auf der Überlandleitung.
Nach den Geständnissen von Dr. Phil, der in
einem Schilfboot übernachtet. Nach dem Gejammer
der Postboten. Nach den Notizen einer Mumie
in den beheizten Zimmern von Hambach.
Nach dem Geständnis des Despoten mit den
schwarzen Pfoten, nach dem schaumigen Verstand
eines Touristen, nach dem Reim von Gras und Erde
in der Odyssee eines dicken Jungen, der alle
Rippen Gott vermacht, zum Bau der sich
bückenden Aphrodite, gepierct und mit stachliger
Frisur. Aphrodite mit dem Afro!
Rufen die schnellen Geräte von Heathrow,
die uns die Vollernter aus Pape bringen
Begrüßungsgedicht für
Tatjana Bijelic / Faruk Šehic / Hana Stojic / Mile Stojic / Stevan Tontic / Tanja Stupar-Trifunovic / Marko Vešovic / Sünje Lewejohann / Brigitte Oleschinski / Richard Pietraß / Àxel Sanjose / Kathrin Schmidt / Ron Winkler
30. Juni 2011 10:02Hans Thill
Sage
Item waz eyn knabe van vierzehen jairen zu Heiligeroide mit syme fader und moder des mandag(es) na pynxsten (1429 Mai 16) und saede, wie hey van eyme boyme in eyne stecken an eyme zune gefallen were yn synen lyff und brach sich selver uß dem stecken, also dat yne alle syne yngeweyde uß seyme lyve geinck, und greiff der knabe dar und hielt syne derme in syne armen, bis hey heym quam, und en konde yme dat neman weder yn brengen und woirden vader und moder zu gedencken an die genade unser liever frauwen zu Heiligerode und geloiffden den knaben aldar und alsbalde sy die geloiffde gedaden, doy namen sy die derme und daden dy dem knaben weder yn und genaß der knabe des woil und is vader und moder mit yme zu Heiligeroide geweist und loiffden und danckten Marien.
(Aus: Helmut Fischer, Sagen des Westerwaldes. Montabaur 1999, S. 152)