Hans Thill
(…)
Lambeau d’époque, éteint flambeau
(SCHLAG nach bei Leiris):
fluider Mann. Wörter ohne Erinnerung,
zerfetzt der Besen der Epoche. Raus mit der
Reinheit, flitzen um die Fackel zu ersticken
(inner Fote)
D’une apothéose de pierre,
und steht auf der Petersdüne in Schuhen aus Stein. Kommst du vorbei,
hörst du ihn sagen: Geh mir aus den Augen, Meer
Un fût se pâme en son tombeau
und was sind das für Leute in diesem Faß?
Zwiebelgräber, in deren Rund man Muscheln rettet aus dem Dreck
De valse-admirante-de-lierre.
Beda Admirabilis, ein Pfalz-Tänzer, den alle
liebten als wäre er ein Efeu. Begeisterung
aus dem Eff-Eff, sich von ihr nicht
anstecken zu lassen. Auf Admiralsflügeln
durch den Sturm, als wäre man ein
kleines Löffelchen
(…)
8. November 2019 19:50
Christine Kappe
„… ahhh…
…mich nervts nur
Doch, glaub mir
Das ist im Ganztag passiert
…
Aber ich habe mich nicht geprügelt
Das waren andere
Und dann kamen 2 dazu
Und dann noch 2
Irgendwann prügeln sich 10 Kinder
Das haben wir oft dort
Das sieht keiner –
Hier muss man treffen (steht auf, fasst sich in die Mitte seines Körpers)
Dann ist man tot
Bei uns gibt es einen Prinzen
Der will alle Menschen töten, alle
Weißt du, der ist der Sohn vom König
Aber den will keiner
Bei uns machst du eine Tür auf … darf ich?
(er klappt eine Tafelhälfte auf)
Und dann machst du noch eine Tür auf
(klappt die zweite Hälfte auf)
Und überall wird geschossen.
Der Prinz…
… ich mal den mal eben…
Hat eine Pistole
Und unter seinem Hut noch eine Pistole
Er ist soooo groß.“
„Da fehlt noch was.“
Sein Mitschüler steht auf, geht zur Tafel
Nimmt sich auch eine Kreide
Und malt dem Prinzen einen Bart
Der immer länger wird
Immer länger, und dann nimmt er den Schwamm und wischt alles weg
Die Stunde ist seit 10 Minuten vorbei und wir sind alle drei völlig fertig
Wir gehen durch die dreckigen Flure, die nicht gut riechen und in denen Schuhe
Umherfliegen und vereinzelt Kinder sitzen
Differenziert arbeitend oder heulend
(irgendwo lag wieder Katzenstreu, weil sich jemand übergeben hatte)
Und wir denken über der Rettung der Welt nach. Und…
Es fühlt sich für einen Moment so an, als könnten wir es schaffen
Nur wir drei
2. November 2019 18:04
Hans Thill
(…)
Sur les haut-vivants reposoirs
GANZ oben wo die Stürme ruhen,
ein paar inches von stillem
Schnee und die Luft aus
Styropor
C’est le mariage des ailes.
halten Flügel und Flügel Hochzeit
mit M’elle Papillon (d.h. jmdn
zur Marie machen, in einem gewissen
Alter)
Les fleurs, filles des arrosoirs,
die Mutter der Gießkanne
(ein Schluck Mutter). Die Mädchen
zum Baum erstarrt, in Blüte,
unbegossen, wäre da nicht der Wind
S’affichent, fleurantes voyelles.
mit einem Vokalwert von unter fünf
kannst Du das vergessen, und noch ist
kein Ei drin. Wir rühren und rühren,
zu schlagen trauen wir uns nicht,
wir stehen ja auf einem Bein.
Jetzt spricht Frau Sprache direkt zu uns
in ihrem Vokalisenidiom. Sagt
Sprechwörter (Heissenb.) und:
nimm bitte die Gehminuten raus
(…)
1. November 2019 11:44
Thorsten Krämer
Schwarz auf Weiß stehen sie da, mitten
im Abteil (das ist natürlich
nur die Spiegelung) des Regionalzugs.
Du, unterwegs
in die Vergangenheit, bist ihnen nur
ein Schatten, der vorüberzieht.
30. Oktober 2019 11:57
Hans Thill
(…)
Saint Pol Roux
Paulitisch rauh im
Pot Conterpaul
mit dir aus purem Sand
Poissons Rouges
aber als Tier in einer Zwischen- und
Zwischenfarbe, quietschende Wörter,
glitschige Zusammenhänge.
Quietistisch. Rauhes Gold als Armenspeise,
sie schwimmen lehren in der See
Pour Pierre Quillard
liest sich in Kegelform,
Peter an der Leine,
für und für.
Der Hund sei ihm
abhanden gekommen,
so stehe er auf
der Düne mit Salz
im Auge
(…)
27. Oktober 2019 10:52
Hendrik Rost
Am Auge der Taube sehe ich, dass sie mich sieht – und sieht, wie ich sie beobachte. Was, denke ich, wird jetzt geschehen? Und es geschieht: Wie ihr seht.

23. Oktober 2019 06:05
Hans Thill
SAINT-POL ROUX
Poissons Rouges
Pour Pierre Quillard
Sur les haut-vivants reposoirs
C’est le mariage des ailes.
Les fleurs, filles des arrosoirs,
S’affichent, fleurantes voyelles.
Lambeau d’époque, éteint flambeau
D’une apothéose de pierre,
Un fût se pâme en son tombeau
De valse-admirante-de-lierre.
Fait avec les pleurs du roc dur
Qui de la mousse douce émerge,
Ici regarde un Bassin, pur
Ainsi qu’un œil de blonde vierge.
Des mains en l’avril du décor,
Au centre de la vasque ronde,
Comme on fait pour les césars d’or,
Invisibles, brassent de l’onde.
Sur le bord, d’albes déités,
Délicieusement exsangues,
Dans les rieuses bleuités
Regardent naviguer les langues.
Septembre 1885
(…)
19. Oktober 2019 14:33
Christian Lorenz Müller
ÄNGSTLICHER MÄUSERICH WARNT
VOR DEM VERLASSEN DES
POETISCHEN LOCHS:
Verführerisch duftet der Erfolg
als großer gelber Käse.
Gleich daneben sitzt
die schwarze Katze der Kritik.
16. Oktober 2019 08:17
Andreas Louis Seyerlein
15.12 UTC – Im Haus meiner Eltern hab ich 18 Brillen entdeckt. Sie waren geputzt. Da und dort ein Fingerabdruck. 4 Brillen für die Welt. 14 Brillen für Bücher und Zeitung. Brillen wie Schuhe und Hüte, sehr nah wie von Zeitfäden an meine Tage genäht. Auch Thermometerwerkzeuge, 5 + 1, zur Messung der Temperaturen eines Zimmers. Und flackerndes Regenlicht, das von den Fenstern her kommt. Ein Computerbildschirm, in dem sich der Computer selbst befindet, zuletzt vor fünf Jahren angeschaltet. Auf dem Schreibtisch ruhen anatomische Bücher, gedruckt in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, bitterer Duft steigt auf, sobald sie geöffnet sind. Das Handbuch eines Opel-Rekord und eine Blechdose, drin sind Liebesbriefe: Meine Liebste, wie ich mich nach Dir sehne! Eine Zigarrenschachtel weiterhin voller Briefmarken des Deutschen Reiches, die der Junge noch sammelte. Ein Kinderbuch: Zwei Pinguine winken. Ein Gerät, das den Strom zu vermessen vermag, haardünner Zeiger. Eine Karte der Stadt Lissabon und Fahrkarten einer Straßenbahn, die in Lissabon noch immer anzutreffen ist. Zwei Menschen waren dort, die Lissabon liebten. Dem Jungen, der Lissabon später einmal lieben sollte, gehörten zwei Schulbücher, er wird später ein Doktor der Physik und ein Verehrer Andrei Sacharows. Sein Vater war Arzt gewesen, deshalb auch Skalpelle auf rotem Samt und eine Schachtel, in welcher sich Objektträger befinden. Dort Spuren, die gelblich schimmern. Und Dioden und Widerstände und Rechenkerne auf Platinen geschraubt. Auch Luftpostbriefe, die ein junger Student an sich selbst oder seine Geliebte notierte, da waren sie noch nicht nach Lissabon gereist, prächtige Marken und Stempel und Sonderwertzeichen der Ballonpost zu einer Zeit, als Expressbriefe noch durch Eilboten zugestellt worden waren. Eine Filmdose und noch eine Filmdose, die man nicht wagt im Regenlicht zu öffnen. Auf einem Dia ist sehr klein eine junge Frau zu erkennen, die vor dem World Trade Center in New York steht. Sie ist dem Auge ihres Sohnes sofort bekannt. In einer Kladde verschnürt, Blätter eines Herbariums: Schlüsselblume von Bleistiftbeschriftung umgeben, das war alles notiert am 24. VIII 1904. Auch zwei Funkantennen wie Fühler eines Insektes ohne Strom. Eine Postkarte ist da noch und immer noch Regen draußen vor den Fenstern. Auf der Postkarte steht in großen Buchstaben rot umrandet vermerkt: Lebenszeichen von L.K. aus der Braubachstraße / 8. II. 44: Meine Lieben! Wir sind gesund und unbeschädigt. Marie & Familie. – stop
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11. Oktober 2019 21:33