Hendrik Rost

Organisches Sprechen
Der Ort, wo ich herkomme,
ist der, an den ich gehe, 
der politiklose Hügel hinterm
Haus, wo Vokalkraut blühte,
blühte, vieles nicht sagend.

Von oben reichte der Blick 
stielweit, buchseitenweit.
Ich: dastehend, am Blättern
bis heute, während Binsen 
mir von den Lippen wuchsen.

Diese Weite, dachte ich, welt-
verlorene Wut; wenn nur einer
in dem kehligen Kommen und 
Sehen verzichtete zu wuchern,
sich zu äußern. Eins mit Kräutern.

Für Mirko Bonné 
11. Juli 2019 09:31










Christian Lorenz Müller

ERSTE ZYPRESSE

Grüne Feuerzeugflamme,
die plötzlich vor dem Autofenster steht.
Der Wunsch, sofort auszusteigen,
den Augenblick aus der Schachtel
des Lebens zu fingern
und inhalierend dazustehen,
die Blicke absichtslos im Blau.

8. Juli 2019 06:37










Gerald Koll

Im Wendland

Rehe kreuzen dort die Wege.

Kirschen über Kirschen.
Über Gras geht man und unter Eichen.
Und dennoch …

Wüten kann das Wendland auch.
“Lieber wütend als traurig!”

3. Juli 2019 13:14










Hendrik Rost

Großes Thema

Widerstand: erst nicht aufräumen,

dann nicht verwüsten.

3. Juli 2019 06:25










Hans Thill

Ich allein bin Calvin Klein

großer calvinistischer Bonobo, also ein Pferd in der Hölle
und das Mädchen schläft weiter, die Di als
Wildfrau, Waldvenus

im Körbchen eines mongolischen Herzmuschelsammlers
mit Sand im Salat und zwischen den Zähnen. O Nasnblutn,
o Holz von Ednkobn, nun wahrhaft

Seehundfarbn und ganz nah Quercus, es ist Vollmond,
ideale Bedingung, um ein Gedicht zu lesen,
der Ford Capri fahrlässig geparkt in der Klosterstrasse

bei der unvergessenen Miss Ferguson, deren halber Mund
einer anderen Zunge gehört. Also mein ganzes Auge
schwimmt in einer Salzlake,

mein Vater hat die Rote Spinne gekillt, es herrschte bitterer
Nebel auf der Vogesenstrasse, nicht weit von hier
hat Adomnán die Ewigkeit gesehen.

Lüeg emol: l´éternité, jamais vu de l´exterieur. So ein
Mannbaum mit Sardelle, vermutlich aus Mannheim,
wo man die Seife verteidigt als wäre sie

ein durstiger Bulldog aus der Notfalltasche. Botoxiere
die Falte auf der Stirn des Zürngottes, mach das
mit dem ganzen Olymp von Paris, das nennt man

Party. Tote Tiere pflastern deinen Weg, (gemeint ist wohl:)
Pavarotti und seine Vogelverwandtschaft.
Wir fahren nach Genf nach Speyer

mit Gepäck aus Dunmail und Dunlop. Wir fahren nach
Bullerbü. Hätt ich dich, so äss ich dich (Grimm).
Noch schubsen sich die Wörter

auf Hochland-Latein (Wein redt Latein), geben es sich
mit den Ellbogen, noch ist Kirschenzeit und mein
Augensalz kommt von

einem Dichtertattoo, wenn es nicht einem Skibbo aus Skiddaw
gehört, mit mehr Haut als Haaren. Und jetzt übersetz
das mal ins Küstenschwäbisch, mein

alter Bazillus aus der keuschen Familie Castrol, ich
ist ein anderer GTX

Edenkoben, 26.6.2019

Begrüßungsgedicht für
Meg Bateman, Cheryl Follon, Iain Galbraith, Peter Mackay, Peter Manson, Paul-Henry Campbell, Daniela Danz, Sina Klein, Uwe Kolbe, Tobias Roth, Lea Schneider

27. Juni 2019 11:49










Christine Kappe

Eigentlich sind es Felsentauben

Ein Mann bestellt eine Donauwelle, mit junger Stimme
eigentlich ist er alt
Draußen mischen sich die Krähen mit den Tauben
eigentlich sind es Felsentauben
Eine japanische Radfahrerin bestellt für ihre Tochter einen Bienenstich
und kann das Wort nicht aussprechen
Eigentlich müsste sie einen Helm tragen
Eine dicke Alte setzt sich draußen auf die Bank und wippt mit dem Oberkörper
Eigentlich müsste sie zahlen
Eigentlich hat die Verkäuferin schon frei
Jetzt bedient sie noch, in Jacke –
Wie das Wetter plötzlich schlecht wird und der Bagger wegfährt
Wie der neue Verkäufer sich bemüht
„Haben Sie 15 Cent? Wenn Sie nur 5 oder 1o haben – auch gut.“
Dann räumt er den Getränkeautomaten ein
Lauter Coladosen. Wer trinkt die alle?
Die türkischen Männer? Sie gehen vorbei
sehen ernst aus, streichen sich die vorhandenen und nichtvorhandenen Bärte
Zwischen vorhandenen und nichtvorhandenen Krähen
Eine hat tatsächlich den Winter überlebt
Obwohl die TiHo prophezeite
Sie würde nie in einem Baum sitzen oder irgendetwas greifen können
Eigentlich wollten wir sie in einen Karton tun und hinbringen
Aber wir schafften es nicht

(work in progress: „Vögel und Städte“)

27. Juni 2019 07:29










Andreas H. Drescher

CHAMPIGNONS (Kapitel aus dem Roman „Kohlenhund“)

„Ganze drei Schichten habe ich´s unter Tage ausgehalten, bis mir die Schinderei zum Hals heraushing. Aber auch danach bin ich die Stollen nicht losgeworden, hab in der Champignon-Züchterei angefangen, in dem alten Schacht im Limberg. Ein Nachbar hat mich eingestellt. Ein pensionierter Bergmann, der billig an die ausgedienten Stollen gekom-men war. Fünfzig Meter ging es in den Stein. Überall der Geruch nach Hopfen. Die Donner-Brauerei hatte dort unten noch kurz vorher ein Bierlager gehabt.“ VOLLSTÄNDIG ANHÖREN.

21. Juni 2019 08:20










Hendrik Rost

Hermes

Die Fliege, die du gestern
Abend nicht gefangen
hast, sagt mein Sohn,
zappelt jetzt im Netz
der Zitterspinne. Er ist
erschüttert. Ein Bündel
am Fenster. Und im Juni
ist Licht das häufigste
Phänomen neben dem
Rascheln der Linden.
Als ob Jahre zurückkämen.

18. Juni 2019 09:48










Tobias Schoofs

POETIK

jedes gedicht ist ein liebes
gedicht jedes gedicht ist teil

einer affäre einer beziehung
jedes gedicht ist eine und oft
keine kommunikation es gibt
nichts als wörter in gedichten

die liebe ist nicht hier sie ist
in körpern zungen zähnen da
in lippen in der stimme wird sie
ganz von selbst zu text jedes

gedicht ist ein liebesgedicht
eine unvollkommene sünde

16. Juni 2019 14:34










Hendrik Rost

Fantasma
Für ein Europa der Toten und der Lebenden.
Für eine Landschaft der Gräser und Überwindungen.
Für das Recht auf das Recht zu singen.
Für die Anwesenheit von Sturen.
Für genug Heiliges, um eine sagenhafte Leere zu füllen.
Für kein Geld der Welt.
13. Juni 2019 11:25










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