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Rezension

„Die Vögel“ von Tarjei Vesaas

Vor Kurzem erschien der wohl bekannteste Roman des norwegischen Autors Tarjei Vesaas in neuer deutscher Übersetzung: „Die Vögel“, ein Werk aus dem Jahr 1957. Darin wird die Geschichte von Mattis geschildert, der mit seiner Schwester in einem Haus auf dem norwegischen Land wohnt, in der Nähe eines Dorfes, des Waldes und eines See.

Während seine vierzigjährige Schwester ständig Jacken strickt, um das Essen für die beiden auf den Tisch zu bringen, geht Mattis zunächst keiner geregelten Arbeit nach. Denn bei der Arbeit verliert der träumerische Mann sich in Gedanken. Der 37-Jährige gilt daher in der Dorfgemeinschaft als Außenseiter und Sonderling und wird von der Bevölkerung „Dussel“ genannt.

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Comic & Graphic Novel Rezension Schöne Literatur

Graphic Novels zu Ludwig van Beethoven

2020 feiern wir den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. In diesem Beethoven-Jahr sind nicht nur zahlreiche Sondersendungen zu dem Ausnahmekomponisten über den Äther gegangen, sondern auch einige Graphic Novels erschienen, die sich mit seiner Person befassen. Wir stellen „Beethoven: Unsterbliches Genie“ (Carlsen, 2020) von Peer Meter und Rem Broo und „Goldjunge: Beethovens Jugendjahre“ (avant-verlag, 2020) von Mikael Ross vor.

Die beiden Werke sind allein schon deshalb sehr verschieden, weil sich beide einem anderen Zeitraum in Beethovens Leben widmen: Während „Goldjunge: Beethovens Jugendjahre“ sich, wie der Titel bereits sagt, Beethovens Kindheit, Jugend und ersten Jahren als Musiker in Wien zuwendet, wohnt man in „Beethoven: Unsterbliches Genie“ dem Tod des Komponisten bei und erfährt post mortem interessante Geschichten und Anekdoten aus seinem Leben.

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Rezension

„Nach der Flut das Feuer“/“The Fire Next Time“ von James Baldwin

In den letzten Jahren erlebte James Baldwin, einer der wichtigsten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts, in Deutschland eine Renaissance: durch die Neuübersetzung seiner Bücher im dtv-Verlag durch Miriam Mandelkow, durch die Dokumentation „I Am Not Your Negro“ und auch durch die Verfilmung „If Beale Street Could Talk“ (nach seinem Roman „Beale Street Blues“). Baldwin war vieles zugleich, Schriftsteller, Romanautor, Dramatiker, Dichter, Essayist und Aktivist in der Bürgerrechtsbewegung.

Sein Essayband „The Fire Next Time“, zu Deutsch „Nach der Flut das Feuer“, erschien in den USA im Jahr 1963. Um dieselbe Zeit wurde er ein bekannter Aktivist für die Rechte schwarzer Amerikaner. Er hatte häufige Fernsehauftritte und hielt Reden vor College-Studierenden. Der Band ist nach dem Spiritual „Mary, Don’t You Weep“ benannt, einem Lied aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, das später zu einer Hymne der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurde. Darin heißt es: „God gave Noah the rainbow sign, No more water, the fire next time.“ (in einer anderen Version heißt es „but fire next time“)

Die deutsche Ausgabe von „Nach der Flut das Feuer“ umfasst ein Vorwort von Jana Pareigis, einer Fernseh-Journalistin mit polyethnischem Hintergrund, die darin ihre eigenen Erfahrungen mit rassistischen Einstellungen hervorhebt und die Aktualität von Baldwins Ausführungen betont. Außerdem sind die zwei ursprünglichen Essays „Mein Kerker bebte“ (erstmals 1962 als „My Dungeon Shook“ in „The Progressive“ erschienen) und „Vor dem Kreuz“ (erstmals 1962 als „Down at the Cross“ in „The New Yorker“ erschienen) enthalten.

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Rezension

„Was Nina wusste“ von David Grossmann

David Grossmann gehört zu den wichtigsten israelischen Schriftstellern der Gegenwart. Mit seinem neuen Roman Was Nina wusste legt er einen intensiven Familienroman vor, der die bewegte Geschichte von Eva Panić-Nahir, einer ehemaligen Inhaftierten der Gefängnisinsel Goli Otok unter dem Tito-Regime in Jugoslawien, sowie die Auswirkungen dieses Traumas auf die Familiengeschichte fiktional aufbereitet.

Der Roman zeichnet sich vor allem zu Beginn durch seine vielfältigen Handlungsstränge aus, in denen man sich zunächst zurechtfinden muss, da Gegenwart und Vergangenheit in wechselnden Episoden erzählt werden. Berichtet wird die Geschichte aus der Perspektive der 39-jährigen Gili, der Enkelin der aus Jugoslawien nach Israel ausgewanderten Jüdin Vera.

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Comic & Graphic Novel Rezension

„Die Vunderwollen“ von Camille Jourdy

Camille Jourdy, 1970 in Chenôve, Frawiderstännkreich geboren, ist die Autorin der Graphic Novel „Rosalie Blum“ (Reprodukt, 2012), für deren abschließendes Kapitel sie 2010 auf dem Comicfestival in Angoulême ausgezeichnet wurde. Ihre neue Graphic Novel entführt uns in eine Welt der Wunder, Bizarrerien und Fabelwesen, in der ein tyrannischer Kater über die unterdrückten Untertanen regiert.

Ein wenig mutet „Die Vunderwollen“ wie eine moderne Umsetzung von Alice im Wunderland als Graphic Novel an. Denn los geht es damit, dass ein kleines Mädchen namens Jo sich beim Campingurlaub mit der Familie in den Wald davonstiehlt und dabei auf zwei Miniaturwesen stößt, die eine Krone tragen und auf winzigen Pferden reiten. Die beiden wollen sie zunächst abwimmeln, doch Jo bleibt ihnen hartnäckig auf den Fersen. Sie folgt ihnen durch einen dunklen Tunnel, der auf die Welt führt, wo die Fabelwesen hausen. Wer denkt bei dieser Geschichte nicht an das sprechende weiße Kaninchen, dem Alice durch einen Kaninchenbau folgt, woraufhin sie in ein Loch fällt und zum Eingang des Wunderlands gelangt?

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Comic & Graphic Novel Rezension Schöne Literatur

„Der Tod in Venedig“ nach Thomas Mann von Susanne Kuhlendahl

„Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann ist eine klassische Novelle, um die man nicht umhinkommt, wenn man sich mit deutscher Literatur beschäftigt. Susanne Kuhlendahl hat die Geschichte um den Schriftsteller Gustav von Aschenbach und den von ihm geliebten Tadzio als Graphic Novel umgesetzt.

„Der Tod in Venedig“ erschien erstmals 1911 als Vorzugsausgabe, dann in der Literaturzeitschrift „Die Neue Rundschau“ und schließlich 1913 beim Fischer Verlag. Wie ein klassisches Drama ist die Novelle in fünf Akte gegliedert. Die Geschichte handelt von dem berühmten 50-jährigen Schriftsteller Gustav Aschenbach, der sein ganzes Leben auf Leistung ausgerichtet hat. Bereits als Kind hat er geschrieben, hatte keine Freunde, zeichnete sich sein Leben lang durch ungemeine Selbstbeherrschung und Disziplin aus. Für sein Werk „Friedrich“ über Friedrich von Preußen erhält er vom Fürsten den Adelstitel und darf sich fortan Gustav von Aschenbach nennen, worauf er wie auf seine übrigen Lebensleistungen sehr stolz ist.

Er lebt verwitwet in München, wo er eines Tages einen Spaziergang im Englischen Garten macht, der ihn bis zum Nordfriedhof führt. An der Aussegnungshalle steht ein fremder Mann in Reisekleidung und mit Basthut, der Aschenbach provokant anblickt. Der Protagonist wendet sich ab – und erlebt daraufhin „eine seltsame Ausweitung seines Inneren“, die sich zu einer Reiselust steigert. Von Aschenbach beschließt zu verreisen.

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Literaturwissenschaft & Literaturgeschichte

Die Novelle am Beispiel Guy de Maupassants

Der Schriftsteller Guy de Maupassant (1850-1893) hat ein beachtliches Opus hinterlassen: Etwa 300 Novellen und sechs Romane, darunter „Ein Leben“ und „Bel-Ami“, schrieb er innerhalb von zehn Jahren, in den Jahren 1880 bis 1890. In diesem Beitrag soll es um Maupassants Erzählungen, die contes oder nouvelles, gehen. Nach einer kurzen Einführung in die Gattung Novelle werden wir einige der bekannteren Kurzgeschichten Maupassants, etwa „Boule de suif“ (1880) und „La parure“ (1884), vorstellen.

Mit seiner Novelle „Boule de Suif“, die im Rahmen des Sammelbandes „Les Soirées de Médan“ mit Erzählungen junger Autoren unter dem Patronat von Émile Zola erschien, wurde Maupassant 1880 mit einem Schlag berühmt. Maupassants Novelle erwies sich als das dominierende Werk dieses Buchs. Lange zwischen Lyrik und Erzählkunst schwankend, entschied sich Maupassant schließlich auch unter dem Eindruck der sehr positiven Reaktion Flauberts für das Verfassen kürzerer und längerer Erzähltexte.

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Interview

Interview mit Florence Brokowski-Shekete: „Ich möchte Brücken bauen“

Florence Brokowski-Shekete ist in Hamburg als Kind nigerianischer Eltern geboren, wuchs zunächst in Buxtehude bei einer deutschen Familie in Pflege auf. Mit acht Jahren nahmen ihre Eltern sie mit nach Nigeria, in ein Land, das ihr fremd war. Doch sie kam wieder zurück nach Deutschland, wo sie eine beachtliche Laufbahn durchlief.

Sie legte das 1. und 2. Staatsexamen für Lehramt ab, arbeitete als Lehrerin und freie Beraterin und Coach. 2007 wurde sie Rektorin, 2013 Schulaufsichtsbeamtin, 2014 Schulrätin und 2020 Schulamtsdirektorin. Wir haben mit ihr über ihre Biografie, ihr Buch „Mist, die versteht mich ja“ (Orlanda Verlag, Berlin, 2020) und ihre Erfahrungen als Schwarze Frau in Deutschland, über Diskriminierung und sensible Sprache gesprochen.

Der-Leser.net: Sehr geehrte Frau Brokoswki-Shekete, Sie sind in Deutschland geboren, wuchsen dann in Lagos (Nigeria) auf und kamen zuletzt wieder zurück nach Deutschland. Wie hat diese Erfahrung Sie geprägt?

Florence Brokowski-Shekete: Ich war ja in Buxtehude zunächst das schwarze Kind in der weißen Mehrheitsgesellschaft, dort fühlte ich mich aber trotzdem wohl. Ich war neun, bevor wir nach Nigeria umgezogen sind. In Nigeria sah ich dann zwar genauso aus wie alle, wie die Mehrheitsgesellschaft, aber ich verstand die Sprache nicht und kannte die Kultur nicht. Das hat mir gezeigt, dass es nicht unbedingt mit dem Äußeren zu tun hat, ob man sich an seinem Ort wohl fühlt.

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Lyrikkabinett Rezension

Aus dem Lyrikkabinett: „Kafkaeske Poesie“ von Uwe Kraus

Uwe Kraus‘ Gedichtband „Kafkaeske Poesie“ strotzt vor poetischer Kraft und Willen. Der Dichter jongliert wie ein junger dichtender Artist mit Bildern, Worten, Zusammenhängen. Dabei berührt er die verschiedensten Themen des menschlichen Lebens und spart auch schwierige Gegenstände nicht aus.

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Comic & Graphic Novel Rezension Schöne Literatur

„Die Buchhandlung der Wünsche“ von Shinsuke Yoshitake

Shinsuke Yoshitake hat mit „Die Buchhandlung der Wünsche“ eine Graphic Novel für „alle, denen Bücher die Welt bedeuten“, vorgelegt, ein Buch für Bücherfreunde, Büchernarren und Bibliophile. Denn er nimmt uns in diesem Comic mit in eine Buchhandlung, in der man alle möglichen Bücher über Bücher kaufen kann. Inhaber der Buchhandlung der Wünsche ist ein sympathischer Buchhändler mittleren Alters mit Halbglatze und Schnurrbart, der seine Kundinnen und Kunden freundlich bedient.

Wenn im Laufe des Buches immer wieder kleine Szenen inszeniert werden, bei denen Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts – vom Kind über den Geschäftsmann bis zur älteren Dame oder zum älteren Herrn – in den Laden kommen, um nach Büchern zu bestimmten Themen zu fragen, antwortet der Buchhändler jedes Mal: „Und ob! Die haben wir!“ und legt sofort eine Auswahl von einigen Büchern auf den Ladentisch. Die Buchhandlung der Wünsche scheint also keine Wünsche offen zu lassen.