Ist das misogyn oder kann das weg?
Ist Misogynie logisch? Kate Manne sagt 'Ja' und erklärt in ihrem Buch „Down Girl“ anhand einiger Beispiele aus Gesellschaft und Politik die Zusammenhänge, Stolperfallen und Widersprüche.
Was haben Elliot Rodgers, Rush Limbaugh und Donald Trump gemeinsam? Nein, es ist nicht das gleiche Toupée. Aber ihre Misogynie. Und, dass ihre jeweiligen Handlungen gerne als Einzel-Vorfälle benannt, in Schutz genommen oder als „Jungs sind halt Jungs“ und "Locker-Room-Talk" abgetan werden.
Dabei liegt all ihren Taten und Äußerungen dasselbe misogyne System zugrunde.
Was genau ist eigentlich Misogynie?, fragte sich die amerikanische Philosophin Kate Manne und entschied sich, aufzuzeigen, woran es liegt, dass Misogynie so oft ignoriert wird. Genauer gesagt, sogar akzeptiert.
Die Misogynie der mächtigsten weißen Männer (...) trifft eindeutig die verwundbarsten Frauen überproportional. Doch wir, die weißen Frauen, machen dies tendenziell auf eine Weise möglich, die mehr oder weniger mit dem Ziel der Selbsterhaltung zusammenhängt.
Kate Manne nimmt sich in "Down Girl" eine Handvoll aktueller und bekannter Beispiele aus der jüngeren US-Geschichte vor, um zu beweisen, dass Misogynie kein Einzelfall, sondern die Regel ist. Sie beschreibt und analysiert dezidiert, wie sich hauptsächlich weiße Cis-Männer das Recht heraus nehmen, über weibliche* (bzw. marginalisierte) Körper zu sprechen, zu urteilen, zu bestimmen. Sie belässt es aber nicht nur bei der Bestandsaufnahme, sondern führt neue Überlegungen, genauer: einen ameliorativen, intersektionalen Vorschlag, an, welches Verständnis von Misogynie nötig ist, um gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen und im Idealfall zu ändern.
Ebenso bezieht sie mit ein, dass misogynes Verhalten nicht nur von Cis-Männern ausgeht, sondern größtenteils so verinnerlicht ist, dass Frauen* selbst ihren Beitrag leisten, um das System aufrecht zu erhalten. Dabei bewahrt Kate Manne weitestgehend einen neutralen, nicht wertenden Ton, da sie dies nicht als Vorwurf darlegt, sondern als schlichte Tatsache, mit der es sich auseinander zu setzen gilt.
Wenn ein Begriff wie 'Misogynie' umstritten ist, wie lassen sich Unstimmigkeiten über seine Bedeutung, Verwendung und Bezugnahme beilegen?
So beschreibt sie nicht nur, was Misogynie sein könnte, sondern auch welche tatsächlichen Auswirkungen und welche Reichweite sie hat. Anstatt alltägliche Beispiele aufzugreifen, wofür sie bereits kritisiert wurde, nimmt sie sich die großen Fische vor. Den Anfang macht der Amoklauf Elliot Rodgers', der 2014 vor hatte ein ganzes Studentinnenwohnheim "abzuschlachten". Seine Tat wurde jedoch, da auch Cis-Männer unter seinen Opfern waren, nicht als misogyn eingestuft. Er sei ein psychisch gestörter Mensch und habe ja schließlich nicht nur Frauen* getötet. Kate Manne beweist in "Down Girl", dass seine Tat sehr wohl als misogyn einzustufen ist.
Das Problem wird noch dadurch verstärkt, dass moralische Kritik an Frauen besonders schnell persönlich wird, sich auf ihren Charakter bezieht und ausgesprochen verletzend ausfällt.
Folgend auf den Amoklauf nimmt sie Rush Limbaughs Kommentare über Sandra Fluke und Donald Trumps Präsidentschaftswahl Stück für Stück auseinander, um darzulegen, wie tief verwurzelt das System Misogynie eigentlich ist. Dafür führt sie stets argumentatorisch einwandfrei aufgebaut und nachvollziehbar Fakten heran, die oft beiseitegeschoben werden. Zum Beispiel, dass Rush Limbaughs sexistisches Frauenbild auf große Resonanz stößt oder, dass vermehrt weiße Cis-Frauen Trump gewählt haben. Weiter erörtert sie, wie auf der einen Seite Hass vermenschlicht wird und auf der anderen Seite Frauen* zu Dingen gemacht werden. Oder, dass Cis-Männer immer wieder, sei es für Mord oder Vergewaltigung, freigesprochen und ihre Opfer verdächtigt, gar an den Pranger gestellt und selbst als die Schuldigen vorgeführt werden.
Ein großer Teil der herrschenden Gesellschaftsschicht hat ein begründetes Interesse, an der Überlegenheit der Männer festzuhalten.
Kate Manne hat mit "Down Girl" ein beachtliches Werk, eine wichtige philosophische Abhandlung geschaffen, die stichhaltig zusammenführt, wie universell das System der Misogynie ist. Sie hat sich bewusst für den US-Raum und diese Beispiele entschieden, da sie sich nicht heraus nehmen wollte, über etwas zu schreiben, von dem sie eventuell zu wenig weiß. Nun kann man anführen, dass dies etwas klassisch sozialisiert Weibliches ist. Oder man sieht es als Gegenbeispiel zu 'Mansplaining'. Auch gibt sie direkt zu Beginn des Buches an, dass sie bei der bekannten Geschlechterbinarität bleibt, um sich nicht etwa zu verzetteln, wissend, dass Trans*-Erfahrungen ebenfalls wichtig sind. Zu beiden Punkten führt sie zusätzlich an, dass sie dies den Autor*innen überlassen möchte, die sich auskennen.
"Down Girl" ist keine leichte Kost, nicht nur auf Grund der Stärke von 471 Seiten. Kate Manne schafft es zwar, logisch und einleuchtend zu argumentieren, ihre, nötige, akademische Herangehensweise öffnet die Türen aber auch nur denen, die sie verstehen. Und verstehen wollen.
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