Neues von einst
Reclam versammelte für Reclams Einführungen in die Mythen alter Kulturen glänzende Autoren und deren Bücher, eine sehr erfreuliche Initiative, die die Schönheit – und Relevanz – jener Erzählungen und bis heute prägenden Narrative darlegt.
Wer die Mythen alter Kulturen in fünf Bänden zusammenfassen möchte: jene Ägyptens, die griechischen, die römischen, die nordischen, die der Kelten und die mesopotamischen, der hat allerdings eine ganze Reihe unlösbarer Probleme. Wie auch der Begriff der „Weltliteratur”, so ist auch der „alter Kulturen” der Versuch, immerhin bei Vermeidung des bestimmten Artikels („der alten Kulturen”) doch alles zu fassen, aber natürlich um den Preis, unter anderem eurozentristisch zu verfahren. Afrika? – Mit Ägypten pro forma repräsentiert. Auch fraglich: Sind die Traditionen des Judentums und Christentums nicht mythisch aufzufassen?
Dann ist da die Frage der Verwandtschaften: Wie verquickt die Mythologien miteinander sind, etwa die römische und die griechische, muß man nicht erläutern. Die Übergänge von Historie zu Legende werden kompetent beleuchtet, was Ägypten betrifft. Auch ist der Mythos, was hiermit schon zweimal berührt wäre, „immer schon in Rezeption aufgegangen”, wie Blumenberg beobachtete; wie erzählt man aber, was so vielschichtig und widersprüchlich gegeben ist? Und wem?
All das sind Hemmnisse, an denen sich die Reclam-Einführungen abarbeiten, nicht immer erfolgreich; voneinander getrennt, einander überlappend, in der Auswahl der Kulturen beliebig wie innerhalb derselben, die Rezeption eher streifend – wobei die Autoren, die ihre jeweiligen Bände nicht je für diese Kassette geschrieben haben dürften, nicht immer die Schuld trifft. Auch ist das Nebeneinander von Doch-Wissenschaftlichkeit und Narration nicht überall glücklich. Bezeichnend, daß die römischen Mythen im Präteritum wiedergegeben oder doch schon eigentlich erzählt sind, die nordischen etwa aber im Präsens zusammengefaßt.
Daß sich in den Bänden zur römischen und zur griechischen Mythologie als Lektüreempfehlung für die weitere Information das hauseigene Lexikon der antiken Mythologie (ed. Tripp) findet, ist schließlich zwar kein schlechter Rat, aber einer, der von Peinlichkeit nicht völlig frei ist.
Dennoch: Die Einführungen erfreuen über weite Strecken, mancher Spagat ist unvermeidlich doch gut gelungen, die Kassette insgesamt Anlaß zur Freude.
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