Lesart
Kijima Hajime* 1928† 2004

Seit ich geboren bin ...

Bin ich unaufhörlich gelaufen, ich meine,
immer habe ich diese Trommel von einer Erde mit meinen beiden Beinen geschlagen.

Wie viel Laut hat dieses Trommeln gemacht?

Seit ich geboren wurde, bin ich am Atmen
ohne Aufhören , und das heißt, durch
meinen Mund und meine Nase, geht

und kommt etwas vom Himmel.

Wie viel reinen Raum hab ich geatmet, seit ich geboren bin?

Trommel und Balg

Das Gedicht ist nicht Haiku noch Tanka, es ist nicht in verwandten Formen geschrieben, die wir sogleich als Japanisch identifizieren könnten.  Es sind zwei Vierzeiler, eine vertraute einfache Form, die es dem Autor erlaubte, mit Dichterkollegen in mehreren Sprachen zu interagieren.

Keine Interpretation, nur ein laufender Kommentar: Der Laut, das Laute des Laufens, der unablässige Gang des Lebensverlaufs  sind der Puls des Lebens. Das Lauten der Sprache ist, wie das Geräusch auf dem Boden, vergänglich, das Ende der Laute, die der Gang macht.  Das Trommeln der Beine, der Füße auf dem Boden, hat Staub aufgewirbelt, der laute Trommelwirbel weckt auf, weckt Aufmerksamkeit, den Laut, der aufhören wird.

Ununterbrochenes Atmen, so automatisch wie der Puls und das laute Setzen der Füße auf den Boden, ist, bei Leben, unaufhörlich.  Das Atmen nimmt und gibt zurück durch die Lautungswege der menschlichen Sprache. Das Atmen beim Laufen auf der Erde nimmt vom Himmel und gibt ihm, gibt von meinem Atem, von mir, an ihn weiter, in unserer Lebensbeziehung.  „Wie viel reinen Raum hab ich geatmet, seit ich, in dauerndem Lauf, geboren bin?“   Habe ich den Raum in mich aufgenommen und, ausatmend, gemacht?  Gewiss, du, ich in unserer vergänglichen Atemwelt, unserer geatmeten Welt, solange die Luft, die gute Luft (Günter Eich) noch geatmet werden kann). Schreibt Kijima neue, originelle Gedanken auf?  Wohl nicht. Man denkt an die zahlreichen deutschsprachigen „Atemgedichte“ und ist längst mit Faust „durch die Welt gerannt“.  Neu, falls das ein Kriterium ist, erscheint mir die Leichtigkeit des Sprechens, das feine Zusammenweben von Aspekten.
Dies ist schon beinahe zuviel gesagt, hat vielleicht bereits das kleine Gedicht zu Boden getrampelt, im Netz der Paraphrase gefangen und erstickt.  Aber ich möchte sacht für Kijima Hajime trommeln, der uns, nie schwer atmend, leicht belehrend unterhält.

Kijima Hajime (1928-2004) ist einer der bekanntesten und eigenwilligsten Dichter Japans. Von seinen zahlreichen Büchern sind mehrere ins Englische übersetzt , darunter Cracking Eggs - 123 Quatrains (1994) und Little White Hen (1969), wenige Einzeltexte auch ins Deutsche. Kijima war zudem ein angesehener Illustrator und Zeichner, dessen Bilder und Kollagen, wie seine Gedichte, zu zeitgenössischen Klassikern werden.

Kijima Hajime, "Since I was Born . . ." in: Responses  Magnetic. Übers. ins Englische von Kijima Hajime u. Larry Lavis u.a. Honolulu: Katydid Books - University of Hawaii Press, 1966.

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