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Kritik

Pandalöse Enthüllungen

Hamburg

Clemens Berger fragt in seinem Buch gleich zu Beginn, wem Geld, wenn es gedruckt sei, eigentlich gehöre. Genauer fragt sich das jene Protagonistin, die die Scheine in Automaten füllt. Nun, der Materialwert ist während des Vorgangs im Besitz der Druckerei, erst der Umstand, daß die staatliche Souveränität den Nominalwert garantiert, macht das Geld zu Geld, das dann der Nationalbank gehört. Diese erschafft also in einer creatio ex nihilo, was dann aber doch, und das ist oder wäre die eigentliche Aporie, noch nichts wert ist: Kapital, das nicht aufgewendet wird, nicht Teil einer Unternehmung ist, ist in diesem Moment nichts wert. Noch genauer: Es wäre nichts wert, gäbe es nicht den Nominalwert, doch jedenfalls verfällt es langsam, Kapital, das nicht wenigstens so investiert wird, daß dies die Inflation ausgleicht, verliert, was es also nur scheinbar ist. Und, Achtung: Pointe, daran, daß es so ist, trägt nicht-investiertes Kapital Mitschuld, also ist derjenige, der sein Geld in der Matratze hat, daran mitbeteiligt, daß es, während es so quasi wertlos ist, auch jenen Wert, den es hätte, langsam verliert. Nicht in jenem Maße ist er schuld, wie Milliardäre, die ihr Kapital, anstatt Steuern zu zahlen, lieber nicht investieren (sondern dem System entziehen, parken und zusehen, wie es weniger wert wird, weil sie das, was das Kapital ausmacht, konkret an diesem und systemisch insgesamt beschädigen), aber: Sie tun strukturell das Gleiche. Und wenn die von Abstiegsängsten geplagte Matratzen-Fafnirs dann noch Neoliberale und Faschisten wählen, … aber das führt zu weit. „Totes Kapital”, Geld ist also immer auch Falschgeld, es ist nicht von der suggerierten Selbstidentität, eher hat man es, indem man es verschwendet – hat Hagen von Tronje Bataille gelesen..? –, als indem man es bewahrt.1

Und das ist sehr frei der erste Handlungs- oder Gedankenstrang Bergers, oder auch nicht, man will ja nicht zuviel verraten. Klar ist aber der Erwähnung des Berufs einer Protagonistin seines Romans, der darin besteht, Geld in Automaten auszuwechseln und zu ersetzen, das zu diesem Punkt niemand zu gehören scheint, daß dieses Geld irgendwann einem oder einer gehören wird, der oder die nicht vorgesehen war. Und, daß sich diese Virtualität wiederholen wird, was ist eine Bärenidentität beim titelgebenden Panda Fi Fo, wie besitzergreifend sind Antikapitalisten, wie unappetitlich sind die Karikaturen gegen den Islam ungeachtet dessen, daß die Reaktionen im Karikaturenstreit inakzeptabel waren, lauter Imponderabilien und Paradoxien, die aber je geradezu Systeme tragen. Beispielsweise auch, ob „23.000 Scheine” wirklich dazu führen, „nicht mehr arbeiten zu müssen”, wenn sie doch als sonst totes Kapital wie ein Sakrileg erscheinen. Alles Betrug? Alles Kunst? Ist Kunst die höchste Form des Betrugs? Der unbekannte Künstler „RETTET DIE RETTER”, oder auch nicht… Aber wann kommt das „große Dann”, oder kommt es nicht..? Und lieben wir Pandas gerade darum, weil da die Natur Kunst schuf, ein Nichts an Bedeutungsmöglichkeit? – „Panda heißt eigentlich gar nichts.”

Viele Fragen stellt Berger so. Sie sind spannend, wie die Ansätze zu Lösungen. Und dazwischen irritieren zwar gewollte und zugleich unscharfe Formulierungen – mahlt man mit den „Backenknochen”, wie sehen „heterosexuelle Kugelstoßer” im Vergleich zu ihren schwulen Kollegen aus? – wie auch die Erzählökonomie manchmal jedenfalls eigenwillig ausfällt … doch man bleibt dran.

Alles in allem ein Wälzer, der die Leserschaft interessieren sollte.

 

 

 

Clemens Berger
Im Jahr des Panda
Luchterhand Literaturverlag
2016 · 24,00 Euro
ISBN:
978-3-630-87531-6

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