„Liebe ist ein Griff ins Klo“
Dorothy Parker (*1893 als Dorothy Rothschild, †1967) galt als eine der bedeutendsten US-amerikanischen Autorinnen ihrer Zeit. Sie verfasste Kurzgeschichten, Theaterstücke und Gedichte. Es gelang ihr, in der Männerdomäne der Theaterkritik Fuß zu fassen: Sie arbeitete bei Vanity Fair als Kritikerin. Dorothy Parker war Gründungsmitglied des legendären- Algonquin Round Table, eines Zirkels von Journalisten, Kritikern und Literaten, die sich im New Yorker Algonquin-Hotel trafen, um sich dort in gegenseitig in Scharfzüngigkeit und Sarkasmus zu überbieten.
Da Diplomatie und Ausgleich nicht Dorothy Parkers Sache waren, formulierte sie ihre Kritiken so ätzend und scharf, dass sie ihren Job als Kritikerin bald verlor. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie fortan mit Gedichten, Kurzgeschichten und als Drehbuchautorin. Ihre Gedichte veröffentlichte sie zunächst in Zeitschriften, jedoch auch bereits zu Lebzeiten in Buchform (von 1926 bis 1944 veröffentlichte sie fünf Lyrikbände). Eine deutschsprachige Komplett-Ausgabe ihrer Lyrik fehlte bislang. Nun, 50 Jahre nach Parkers Tod, legt der Dörlemann-Verlag mit „Denn mein Herz ist frisch gebrochen“ eine deutschsprachige Gesamtausgabe ihrer Gedichte vor. Endlich!
Dorothy Parkers Gedichte strotzen von Modernität und Widerstand gegen Geschlechterstereotype. Sie haben eine freche, manchmal rotz-freche Sprache und sind gleichzeitig tiefsinnig und doppelbödig. Dorothy Parker war dreimal verheirat (gleich zweimal mit dem Drehbuchautor Allan Campbel) und kannte das Auf und Ab von Zweierbeziehungen zur Genüge. Emanzipiert und modern einerseits, voller Selbstmitleid und echter Verzweiflung andererseits ringt sie in ihren Gedichten um Haltung angesichts von Liebeskummer und Herzensleid. Parker wird dabei nie lamoryant und betrachtet sich selbst immer mit sarkastischer Selbstironie.
Ulrich Blumenbach, der Dorothy Parkers Gedichte ins Deutsche übertragen hat, ist herzlich für die erfrischende und einfühlsame Übersetzung zu danken. „Denn mein Herz ist frisch gebrochen“ wurde zweisprachig aufgelegt, so dass man nach Belieben zwischen der englischen Originalversion und den deutschen Übertragungen wechseln kann. Man spürt beim Vergleichen Blumenbachs Ringen um richtige Worte, passende Formulierungen, adäquate Begriffe und ist immer wieder von seinen originellen und punktgenauen Übertragungen begeistert.
Wo Dorothy Parker (in „A very sad song“) 1926 -für ihre Verhältnisse zurückhaltend formuliert „Love is for unlucky folk, Love is but a curse“, findet Blumenbach die Entsprechung „Liebe ist ein Griff ins Klo. Liebe lässt uns leerer.“ Ich habe das Gefühl, Dorothy Parker hätte dieser Aussage aus ganzem Herzen zugestimmt.
Immer wieder werden gescheiterte Liebschaften thematisiert, Parker schreibt sich Trauer, Kummer und Hass vom Leibe („All my pretty hates are dead“) und Blumenbach bringt die trotzige Gesamtstimmung auf den gemeinsamen Nenner, auf den Parkers Versuchsanordnungen immer wieder hinauslaufen: „Liebe machte sich vom Acker.“.
Bei allem Sarkasmus war Dorothy Parkers auch eine empfindsame Frau. Sie, die austeilen konnte wie kaum eine ihrer Zeit, verübte mehrere Selbstmordversuche, litt unter Depressionen, musste Fehlgeburten und Trennungen durchstehen. Todessehnsucht und Selbstmordphantasien bringen ein Hintergrundrauschen, das zwar immer wieder ironisch gebrochen wird, jedoch den weichen Kern hinter der rauen und robusten Schale immer wieder durchblicken lässt.
„Kinder the busy worms than ever love;
It will be peace to lie there, empty-eyed,
My bed made secret by leveling showers,
My breast replenishing the weeds above.
And you will say of me, „Then hass he died?
Perhaps I shoul have sent a spray of flowers.“
Die deutsche Übertragung greift den Sound auf:
„Die Würmer lieben gütiger denn je;
Und friedlich lieg ich dann, der Blick verloht,
Mein Bett wird dann vom Regen sanft entrückt,
Mein Busen nährt da oben Gras und Klee.
Und du sagst dann von mir: „Wie, sie ist tot?
Ach, hätt ich doch nen Blumenstrauß geschickt.“
Während ihre avantgardistischen Zeitgenossen sich in der Lyrik von formalen Zwängen lösten, freie Verse entwickelten und metrische und klangliche Bindungen aufgaben, entschied sich Dorothy Parkers bewusst für lyrische Traditionen. Sie blieb Metrum und Reim verpflichtet (viele ihrer Gedichte sind Balladen), schrieb Sonette und Trioletts. Trotz dieser formalen Vorgaben wirkt Parkers Lyrik nie konstruiert sondern originell und frisch. Gerade, weil die Form (Parker verwendete häufig den Kreuzreim) der Tradition so innig verbunden ist, sind die Pointen, mit denen Dorothy Parker aufwartet, umso wirkungsvoller.
Fixpoetry 2017
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben