Kinky Friedmans letzter Krimi mit Kinky Friedman
Normalerweise lassen sich Krimiautoren auf so etwas wie die Wirklichkeit nicht ein. Was das angeht, ist der in New York lebende Texaner Kinky Friedman eine Ausnahme, kandidierte er doch 2006 für das Amt des texanischen Gouverneurs. Eine Wahl, die ihm immerhin 13 Prozent der Stimmen einbrachte. Zum Amt reichte es nicht, aber seine Popularität hat der schnoddrige Friedman in jedem Fall mit seinem Wahlcoup gesteigert. Was ihm zu gönnen ist, denn Popularität hat der Krimischreiber Friedman in jedem Fall verdient: Er ist eine Ausnahmeerscheinung im Krimigenre.
Respektlosigkeit, ein loses Mundwerk, ein Selbstbewusstsein, das mit größer Vehemenz zur Schau getragen wird, eine intelligente und reflektierte Sprache, die sich des Jargons da bedient, wo er nutzt, eine Struktur und ein Plot, die es in sich haben. In jedem Fall ist die Lektüre von „Zehn kleiner New Yorker“ ein Vergnügen, und zwar nicht deshalb, weil es hier um einen besonderen Krimileckerbissen geht, um einen intellektuellen Drahtseilakt, dem die Leser folgen sollen, sondern weil hier etwas geschieht, was normalerweise in die Hose geht: Der Ermittler und seine Sicht auf die Welt stehen im Vordergrund.
Ja, es stimmt, normalerweise ist mit Vehemenz gegen solche Krimis vorzugehen, zumal dann wenn sie mit dem Abbeten lebensweltlicher Weisheiten und dem Abklappern auch jeder noch so absonderlichen Neigung der Helden die Seiten füllen, und das massiv.
In diesem Fall soll eine Ausnahme gemacht werden, und zwar weil dies im Falle Friedmans mit größtem und gröbstem Witz geschieht. Nichts, was Friedman nicht aufs Korn nimmt, keine Gewohnheit seiner Figuren, die nicht mit Spott überzogen werden, keine Alltäglichkeit, die nicht sprachlich so lange behandelt wird, bis sie sich bis zur Kenntlichkeit verändert hat.
Das ist nicht immer fein und von gutem Geschmack, aber immer auf den Punkt gebracht. Friedmans Witz ist seiner Respektlosigkeit vor sich selbst und vor der Sprache geschuldet, in deren Floskeln man es sich als Krimischreiber so furchtbar heimisch machen kann, wenn man es damit nicht so genau nimmt.
Friedman nicht. Und das macht seine Krimis so ungemein angenehm, ja amüsant. Sie sind bissig, gemein, herzlos und pointiert.
Hinzu kommt, dass Friedman einige erzähltheoretische Grundwahrheiten ignoriert und sich einen Deut darum schert, dass zwischen Erzähler und Autor zu unterscheiden ist. Die beiden tragen bei ihm denselben Namen, Friedmans Biografie wird – mehr oder weniger – auf seinen Protagonisten übertragen. Der Kurschluss zwischen den erzählerischen Instanzen wird mit bissiger Häme provoziert.
Das geht soweit, dass sich Friedman am Ende sogar selber umbringen kann und kein Hahn kräht wirklich danach. Aber die 17 Romane umfassende Reihe von Krimis, die Kinky als Helden haben, wird mit diesem Roman beendet. Wie auch anders, ist der Protagonist doch tot.
Nun hat man schon manchen Helden, der von uns gegangen ist, wieder aufstehen lassen (Bobby und die Dusche, falls das noch jemandem was sagt). Insofern heißt das nichts, aber nach Nr. 17, im Jahre 2005 erschienen, ist bislang kein Nachfolgeroman mehr erschienen. Was schade ist.
Neben all dem ist „Zehn kleine New Yorker“ eben auch ein veritabler Krimi. Im Village werden Männer umgebracht, mit das mit offensichtlich böswilligen Praktiken: Stricknadeln oder Zigarren dienen als Mordwaffe, die Opfer kommen sehr grausam ums Leben. Ein Zusammenhang besteht anscheinend nicht.
Insofern ist Kinky nicht interessiert. Erst als seine Nachbarin, die dem krisengeschüttelten Privatdetektiv Kinky das Loft hütet, während seiner Abwesenheit dort den Geldbeutel des ersten Opfers findet, beginnt er notgedrungen mit den Ermittlungen. Denn er gerät selbst in Verdacht.
Spätestens mit den Mord-Zigarren, die von derselben Sorte sind wie seine eigenen (aus Kuba eingeschmuggelten), und nachdem an einem weiteren Mord ein Songtext von Kinky (der eben auch mal Musiker war) gefunden wird, ist klar, dass er mit drinhängt.
Also fragt er herum und macht sich Gedanken, versucht, der Polizei nicht in die Fänge zu geraten und in die Quere zu kommen, und ist auch sonst von der Situation eher angenervt, als dass sie ihn dazu bewegt, sich vehement die Ermittlersporen zu geben.
Mehr noch, je näher er der Lösung kommt, desto inaktiver wird er. Den Jackpott knackt er, indem er einfach eine Pulle Whisky leert – leider nicht seine eigene, sondern die eines Freundes – und intensiv nachdenkt (wobei zu fragen ist, ob man besoffen nachdenken kann).
Zwei Tage nachdenken und Kinky hat die Lösung! Naja. Und bei der Einlösung haperts am Ende. Wenngleich mit den beiden Tote zum Schluss die zehn kleinen New Yorker auch endlich vollständig sind.
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