Kolumne

Aber wo steckte die Katze?

Ein anderes Buch, über das ich auf der Buchmesse gestolpert bin, ist die „Tangram-Katze“ von Maranke Rinck und Martijn van der Linden. Es wurde von Rolf Erdorf aus dem Niederländischen übersetzt und ist nun erstmals auf Deutsch beim wunderbaren Schaltzeit Verlag erschienen. Es ist ein ebenso überraschendes wie wunderschönes Kinderbuch, das ein Loblied auf die Phantasie der Kinder ist.

Das Buch beginnt mit dem Satz: „Ich hatte Langeweile, und dann bekam ich ein Puzzle.“ Darunter sehen wir ein hellblaues Quadrat. Auf der nächsten Seite wird das Rätsel dann gelöst und das Quadrat teilt sich auf in die Einzelteile des chinesischen Tangram-Spieles. Das Kind, dem die Stimme wohl gehört, meint nun entrüstet, dass dieses Puzzle ja nur sieben Teile hätte. „Sieben!“ Der Auskunft, dass es alles aus diesen sieben Teilen machen könnte, glaubt das Kind überhaupt nicht, aber weil es ja doch nichts zu tun hat, legt es aus den Teilen…

Und hier sehen wir eine blaue Katze aus den fünf Dreiecken, dem Quadrat und dem Parallelogramm des Tangram-Spieles. Wir blättern weiter und sehen nun die Tangram Katze ausgemalt als „echte“ Katze, mit geschecktem Fell, rosa Näschen, Schnurbarthaaren und leuchtend gelben Augen vor uns, die Katze, die wir schon vom Cover kennen. Das Kind ist begeistert von diesem Erfolg und ausgehend von der Katze beginnt sich nun eine Geschichte zu entfalten.

Motiviert von der gelungenen Katze baut das Kind schnell weiter mit den Tangram-Teilen und macht als nächstes ein Haus für die Katze. Wieder sehen wir das Haus zuerst aus den blauen Tangram-Teilen gelegt, bevor es auf der nächsten Seite ausgemalt wird.

An dieser Stelle möchte ich die Handlung kurz unterbrechen und ganz ans Ende des Buches blättern: Hier befindet sich nämlich ein herausnehmbares hellblaues Tangram-Spiel, das wir nun schnell herausbrechen um so ausgerüstet wieder zurück an den Anfang des Buches und zur blauen Katze zu blättern um diese nachzubauen und unsere eigene Tangram-Katze zu legen … Moment … Ja, das funktioniert doch tatsächlich! …

Alles, was wir in diesem Buch sehen, lässt sich aus den sieben Teilen des Tangram-Spieles nachbauen und das ist richtig genial. Ich blättere weiter, wo waren wir stehen geblieben? – Stimmt, beim Haus für die Katze, bauen wir unserer Katze also auch schnell ein Haus, eine Katze braucht doch ein Haus, ist doch logisch, oder? …

Doch: „Nicht weglaufen!“ ruft das Kind an dieser Stelle der Katze zu und baut ihr flux … Was braucht eine Katze? ... Was könnte eine Katze noch brauchen? …. Richtig, einen Fisch!

Aber nein, die Katze hat gar keinen Hunger. Und nun versteht das Kind, dass die Katze kein Haus und keinen Fisch will, sondern sich einfach jemanden zum Spielen wünscht. Nichts leichter als das, denkt sich das Kind wohl an dieser Stelle und beeilt sich, eine zweite Katze aus den Teilen zu legen, was dann gar nicht so einfach ist, aber doch klappt:

Doch irgendetwas stimmt nicht mit dieser Katze, wir ahnen es schon: „Hoppla! Ich hatte mich vertan. Es war keine andere Katze“ …sondern ein Hund. Und nun gewinnt die Geschichte richtig an Fahrt. Die Katze flieht vor dem Hund und das Kind baut ihr schnell einen Baum. Nun ist die Katze in Sicherheit, aber es gilt den Hund zu vertreiben, damit sich die Katze wieder vom Baum herunter traut. Den Hund zu verjagen gelingt mit einem Krokodil und das Kind ist sehr zufrieden mit sich.

Aber die Sache hat einen Haken, denn keine Katze klettert freiwillig vom Baum herunter, wenn darunter ein Krokodil auf sie wartet. Es gilt also das Krokodil wieder zu vertreiben. Aber wovor fürchtet sich ein Krokodil? – Vor einem Stier? – Nein. „Schnapp, schnapp!“ macht das Krokodil, während der Stier laut „Aaaah!“ schreit und flieht. Aber vielleicht fürchtet es sich ja vor einem … - Dinosaurier? – Nein. „Schnapp, schnapp!“ macht das Krokodil und „Ui!“ der fliehende Dino.

Das Kind überlegt weiter: „Vielleicht, dachte ich dann, fürchtet sich ein Krokodil ja nicht vor riesengroßen Tieren, sondern eher vor winzig kleinen?“ Und baut also gleich zehn kleine Vögel auf einmal. Und richtig, den Vögeln gelingt tatsächlich, woran Stier und Dino scheiterten: Als Schwarm vereint schlagen sie das Krokodil in die Flucht. „Aber wo steckte die Katze?“

… Und wusch, da ist sie schon wieder und verscheucht die Vögel, die sie eben noch gerettet hatten. Das Kind ist empört, versteht die Katze aber, die ja nur spielen wollte. „Genau wie ich!“ Und da sich ja wirklich alles aus dem Tangram-Puzzle machen lässt, macht das Kind als nächstes … – sich selbst – und ist damit nicht länger alleine:

Das Vorsatzpapier der Tangram-Katze zeigt skizzenhaft ganz viele Dinge und Tiere, die man noch legen könnte und lädt damit dazu ein, nicht nur die Geschichte der Tangram-Katze mit dem eigenen Tangram-Puzzle nachzulegen, sondern seine eigenen Geschichten damit zu erfinden. Das Buch animiert damit einerseits zum Mitmachen, andererseits sagt es: Schau, das kannst du selbst, das Puzzle hat zwar nur sieben Teile, aber du kannst wirklich alles daraus machen, bau dir doch deine eigenen Geschichten daraus! Es ist also ein Buch zum Nachbauen und Weiterbauen und das ist das Besondere an diesem zauberhaften Kinderbuch.

 

***

 

Tangramkatze
Maranke Rinck und Martijn van der Linden
Hardcover 26 x 26 cm
56 Seiten, bunt
mit Puzzlespiel TANGRAM
Schaltzeit Verlag 2018
ISBN: 978-3-946972-25-9
17.95 €

 

Fixpoetry 2018
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge