Salut Schtroßburg
salut schtroßburg, ca va, vie geht's?
du bucklichs hutzelweib
mit deinre schwarze sammethaub
von kirchemoos un ziegelscherbekarmesin
mit deinre mittelalterkrätz am kopf
von taubeschiß und feuersbrunscht
von peschtilenz un regemessingrün
mit deine alte pflaschterstaigedärm
voll pinot blanc un münschterkäs
bischofslila, marseillaise
weiberwackelärsch, baguette
soß vinaigrette un schwarzer zwischedurch-
un feierobendzigarett
salut schtroßburg, ca va, wie geht's?
mei apfelbackichs bauremädle
mit deinre gugelhupffrisur
e goldes kettle
um dei bauremädlefüß
ich wünsch mer nur, ich kann bei dir
noch manchen katzefaule sommerdag versitze
im ahornschatte an deim mittagsgrüne bach
mit de chantal, de melanie, mit ainre
die i nimme waiß un nimme sieh
des sommermenschelebe spüre bis in
d'fingernägelfußzehspitze
salut schtroßburg, bauremädle, hutzelweib
mit deine rieslingzitze
Vom Stein zum Weib
Egal, in welchem deutschen Sprachraum man lebt: schlechte, betuliche Mundartgedichte gibt es im Schwäbischen, im Sächsischen, im Pfälzischen und im Badischen. Überhaupt gibt es nur ganz wenige ernst zu nehmende Mundartdichter in Deutschland und noch weniger, die Gedichte schreiben, die qualitativ an hochsprachliche Texte heranreichen. In der Schweiz sieht das freilich ganz anders aus.
Eine der rühmlichen Ausnahmen ist der Karlsruher Harald Hurst, geboren 1945. Als Erzähler und Lyriker ist er bislang mit 17 Büchern und CDs hervorgetreten, die sich weit mehr als hundertausendmal verkauft haben - Harald Hurst gehört sicherlich zu den populärsten Menschen im badischen Sprachraum zwischen Mannheim und Basel, der mit Sicherheit auch sämtliche deutschen Dichterpublikumsrekorde hält.
Lebensfroh und federleicht kommt "Salut Schtroßburg" daher, eine Liebeserklärung an die Großstadt im benachbarten Elsaß. Gerne grenzt sich der Badener von seinem schwäbischen Landsmann ab und sucht die Nähe zum Elsaß, zum französischen Savoir-vivre. Per Hurst'scher Definition übrigens ist "Life-Style das Gegenteil von Savoir-vivre." Theo Breuer hat Hurst in eine lange Tradition zurück bis Oswald von Wolkenstein eingereiht, schon allein wegen des gelungenen Reimpaars "Spitze - Zitze". Ganz aus der Nähe grüßt Rainer Brambach, der wohl auch ein Trinker von Gottes Gnaden war, vom Dichter ganz zu schweigen.
Den Sprecher sieht man förmlich an einem warmen Sommertag in einem Café vor dem Münster sitzen, zwei Viertele sind schon intus, die Gedanken schweifen an den Fachwerkhäusern entlang zurück ins Mittelalter, Mädchen und Frauen flanieren vorüber. Eine sanfte Melancholie befällt den Angeheiterten, weit entfernt von jeder Depression, aber sowohl die Vergänglichkeit und die Flüchtigkeit mancher Liebschaft vor Augen. Wird zunächst die Stadtansicht personalisiert, geht der Blick doch rasch vom Stein zum Weib. Das Vanitas-Motiv konterkariert die Lebenslust. Und wie prächtig schillern dabei Hursts Wortschöpfungen "regemessingrün" und "pflaschterstaigedärm"! Wie vielen Badenern fällt in bestimmten Situationen jene wunderbare Zeile "weiberwackelärsch, baguette" ein? Und wie wunderbar klingt hier der sonst etwas behäbige bis niedliche badische Dialekt?
Hochvirtuos ist dieses Gedicht, von all den Assonanzen bis hin zu den unprätentiösen Reimen. "Salut Schtroßburg" ist zeitlos und scheint Jahrhunderte alt zu sein wie das Straßburger Münster. Dabei ist prächtig wie eh und je. Für mich ist dieses Gedicht meines Dichterfreundes Harald Hurst ohne Zweifel eines der schönsten Gedichte, die ich jemals gelesen habe.
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