Am Morgen seh ich eine Frau, sie steigt aus dem Wagen vor der Allianz-Filiale. Es ist halb neun, Dienstbeginn. Sie trägt verwegene High Heels und eine Stoffhose, so knackig eng, dass ihr die Arschbacken meutern. Es kneift. Verstohlen rupft sie den Schlüpfer zurecht, raus aus der Fut. Dann dreht sie sich um und entdeckt mich auf der anderen Strassenseite, breitbeinig abwartend. Ich bin Weltmeister im breitbeinig Abwarten. World Cup Glummi, Randy Andy. So einen Weltmeistertitel muss man sich verdienen. Man kann nicht einfach auf der anderen Strassenseite stehen bleiben und abwarten, bis zufällig eine Person La Paloma zupft, man muß auch Stielaugen machen und die Arme vor der Brust brilliant verschränken.
Können.
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Typisch. Jahrelang passiert so gut wie gar nichts und dann kommt es knüppeldick, das Glück = Knüppelglück sozusagen. Allerdings nicht bei mir. Irgendwo dahinten.
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Kra-Kra! Krähen tippeln über den staubtrockenen Acker. Es ist Sonntag. Es ist Herbst geworden über Nacht. Alles klafft auf und blättert ab, hängt gelb und kräht, Kra-Kra, vom Baum.
Wir schlendern durch Meigen, wo man den verstecktesten Bolzplatz der Welt hingebaut hat. Eingeschlossen von einer Siedlung und ihren Gemüsegärten, dem Bahndamm und einer verträumten Pferdekoppel, in deren Mitte eine Tanne steht, an der sich die Fohlen unter heißer Mittagssonne den Rücken reiben, wie an einer Palme. Der Platz ist so versteckt, nur Eingeborene finden den Zugang.
Kra-Kra! Zwölf Uhr. Das Feld ist leer gefegt.
“Sonntagmittag”, murmle ich enttäuscht, “alle Mann beim Essen.”
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“Ich bin keine Malerin. Ich bin ein Mädchen, das gerne guckt.”
- Die Gräfin -
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Über lehmbröckelnden Feldern zurück zum Kannenhof. Ich erzähle aus meiner Kindheit, als Oma und Opa noch ihr Häuschen bewohnten, bis erst Oma starb und dann Opa mit 95 Lenzen und die Erbengemeinschaft das Haus an einen zwielichtigen Wuppertaler Unternehmer verkaufte, der vorgab, dort ein Kiosk eröffnen zu wollen.
Da das Grundstück an einer mittlerweile vielbefahrenen Lastwagenroute Richtung Wuppertal liegt, war das nachvollziehbar. Ein paar Tage nach Abschluss des Kaufvertrags wurde am Haus eine rotierende rote Pufflaterne angeschraubt und nach hinten raus massiv-grelle Neonröhrenwerbung geschaltet, KNUSPERHÄUSCHEN.
Manchmal spaziere ich daher, und das ist schon ein komisches Gefühl, an einem Bordell entlang zu spazieren, in dem man als Kind eine Menge glücklicher Tage verbracht hat, und heutzutage werden in diesen heiligen Hallen gegen Cash Männerschwänze geblasen. Einen verdammten Blas-Kiosk hat der Kerl daraus gemacht!
“Na schön, das ist ein komisches Gefühl. Aber das ganze Leben ist ein komisches Gefühl, oder nicht?” meint die Gräfin.
“Da war auch ein Pool”, sag ich, “im Baumhof meiner Großeltern. Der kleinste Swimming-Pool der Welt.”
So klein, selbst als Kind konnte man darin bloß eine einzige Kraulbewegung machen, und schon schlug man am entgegengesetzten Ende des Bassins an.
Immerhin, der Pool war tief, so tief, die Fliesen am Grund liessen sich kaum erkennen. Und Wasserspinnen gab es, mit drahtig dünnen Beinchen wie Antennen an Matchboxautos. Nur fieser.
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Taylor, neun Monate alter Dobermann, wirbelt im Park über die Wiese wie ein ungelenkes Fohlen, und wenn er beim Nachlaufenspielen mit den anderen Rüden noch mehr in Schwung gerät und übermütig wird, ist er nicht mehr zu halten: Er knallt ungebremst ins Distel-Gebüsch, wo er jaulend zum Stehen kommt.
Sein Frauchen kennt das schon. “Der ist zu blöd zum Anhalten.”
“Zu blöd zum Anhalten? Der ist zu jung zum Anhalten”, widerspreche ich ihr, und fahre fort, der Gräfin zugewandt: “Das möcht ich auch noch mal sein, zu jung zum Anhalten.”
Schlagwörter: allianz, Frauen die aus Autos steigen, in gebückter Haltung, randy andy
20. September 2012 um 12:53 nachmittags |
ein köstliches short cut.
das häte ich gerne gesehen, dieses bündnis ungleicher partner: der glotzomat und das frauenzimmer.
und es ist wahrlich kein zufall, dass diese szene vor der “alliance” stattfand.
offen bleibt leider, was dann passierte: trafen sich nur blicke oder noch mehr?
gruß, uwe
20. September 2012 um 1:30 nachmittags |
komische blicke.
20. September 2012 um 4:45 nachmittags |
oh ja, das ist ein bild zum liebgewinnen:
noch einmal zu jung zum anhalten sein, damit die frauen ihre körper an meinen stielaugen reiben, wie es katzen tun mit beinen aller art, unterschiedslos, und nur an der eigenen lust interessiert. -
eine frage am rande:
täusche ich mich oder wachsen ihre texte nach?
bei meiner ersten lektüre reichte er nur bis zum bild. dann kamen die krähen und eben las ich den rest. so will ich in zukunft ab-warten.
gruß, uwe
21. September 2012 um 11:03 vormittags |
Ja stimmt, manches wächst, anderes kürzt der Oberaufseher in meinem Köpfchen.
20. September 2012 um 9:46 nachmittags |
nachwachsende texte – das textetum mobile?
die bilder sind allesamt stark. bei mir sinds die krähe und das zu-jung-zum-anhalten, die echoen und sich festkrallen …
danke für das kra-kra, es macht meine herbstohren weit.
21. September 2012 um 11:03 vormittags |
keine Ursache.
14. Dezember 2012 um 10:28 vormittags |
was macht die denn da..hängt die fest ..oder bläst die schon..