Zehn Jahre hatten wir keinen Hund gehabt. Keine Verpflichtungen, keine Revierkämpfe. Kein Bewegungsmelder. Doch irgendwann nahm die hundelose Zeit Überhand. Der Entzug zeigte sich, als die Gräfin eine kleine Nachttischlampe am Stecker hinter sich her zog und rief: Nu, nu mach schön dein Lichthäuflein!
Dann war da diese Zeitungsannonce. Bildhübsche Mischlingswelpen abzugeben. Als wir die angegebene Adresse in einem unscheinbaren Mietshaus anfuhren, wurden wir von einem Geschwader übermütiger kleiner Körper empfangen. Alles stürmte und wuselte durcheinander, fiepende kleine Fellknäuel, alles in Bewegung, das ganze Haus.
“Wie ein kleiner Dattelhain!” rief die Gräfin begeistert.
“Ja, süß”, sagte ich.
Nur zwei Welpen fielen durchs Rost, Käptn Enno und Frau Moll. Frau Moll, noch ohne Namen und so schüchtern und ängstlich, dass sie sich im untersten Fach eines Standregals versteckte, wo die Gräfin sie nur zufällig entdeckte, als sie gerade die Verfolgung eines anderen Minimischlings aufgenommen hatte.
“Och, guck mal, der hier!” kam sie quietschend auf dem Parkettboden zum Stehen.
“Der ist eine sie“, wurde die Gräfin prompt berichtigt, von dem Ehepaar, das den Promenadenwurf zum Kauf anbot.
Die kleine Hündin hatte ein weißes Kreuz auf der Brust, was ihr eine gewisse Religiösität verlieh, und eine drollige schwarze Gardine am Hintern.
“Gardine? Je nun.. sie hat Durchfall”, stellte das Paar klar.
Ich persönlich favorisierte Käptn Enno. Eine potthässliche kleine Krücke, der das Fell in zehntausend Richtungen stand, so wirr, als hätte sie einen Stromkreis belutscht. Ich hob die Krücke vorsichtig hoch. Ich hörte das kleine Herz nuscheln, in meiner Hand. Jemand machte Pipi. Ich liess ihn los. Käptn Enno fiel hinter die Couch, kopfüber.
Der Anzeigentext hatte nicht gelogen. Bis auf den Käptn war der Promenadenwurf bildhübsch. Vater unbekannt, Mutter Mischung aus Bearded Collie und Schäferhund. Die Wahl fiel nicht leicht. Frau oder Käptn. Schön oder Krücke. Wobei Frau Moll den Vorteil hatte, kein Kerl zu sein. Weibchen machen weniger Ärger. Weibchen geiern nicht jeder Pussy hinterher. Die markieren nicht den grossen Mann. Die..
“..nehmen wir!”
So geschah es, dass Frau Moll im Januar 2004 die laufende No. 3 in unserem Trio wurde. Auf der Heimfahrt, Frau Moll und ich saßen auf dem Rücksitz, blickte sie mit großen Augen zu mir hoch und pinkelte mir zitternd in den Schoß.
“Fahr nicht so doll in die Kurven!” wies ich die Gräfin zurecht.
“Ich fahr doch nur zwanzig!”
“Dann fahr zehn!”
“Da kann ich auch gleich stehen bleiben!”
“Dann bleib stehen!”
Zwei Tage später rief ich bei der Zeitung an und gab eine Annonce auf. Welpe abzugeben. Wir hatten die Nase voll von diesem struppigen, scheissenden Etwas, das uns übers Wochenende einen stinkigen Kackhaufen nach dem anderen in die Stube gesetzt hatte, und das nicht niedlich lächelnd. Schon klar, damit muss man am Anfang leben, wenn man einen Hund aufzieht. Aber dass er sich partout nicht vor die Tür traute, nicht einmal in den Garten hinterm Haus, ja, dass der Welpe überhaupt nur einen einzigen Chef zu akzeptieren schien, nämlich seine eigene Angst, das setzte uns so arg zu, dass wir ihn wieder loswerden wollten. Besonders ich.
“DEINE ANGST IST NICHT CHEF!” zürnte ich. (Ich kenne mich damit aus.)
Nachdem der Anzeigentext Mittwochs erschienen war, stand das Telefon nicht still, doch wir liessen es klingeln. Zwei Tage hatten gereicht, um unser Vorhaben wieder komplett umzustossen. Jetzt war der Welpe wieder süß und durfte, ach was, musste bleiben.
Ich weiss gar nicht mehr, was letztlich den Ausschlag gab, dass wir uns ein zweites Mal in Frau Moll verliebten, ein Hündchen, das vor Schreck stiften geht, wenn es einen Furz lässt. Für unseren Hund endet nämlich der eigene Leib in der Körpermitte, mit dem Rest hat er nichts zu schaffen. Nach Frau Molls Überzeugung ist es ganz klar ein Fremder, der ihren Hintern bis aufs Übelste reizt und bespielt.
Aber dann wieder, wenn Hündchen abends auf der Decke liegt, klein und unschuldig, ein Klecks in der Weltgeschichte..
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Schlagwörter: Dattelhain, Doggy Style, Einmal die Strasse rauf und runter, Hunde
9. Oktober 2012 um 12:47 vormittags |
Das kenne ich, manchmal “Teufel” und dann wieder “sooo süß”!
Habe einen 4 Monate alten Welpen!
LG
Kate
9. Oktober 2012 um 5:50 vormittags |
büschen schaf iss aber auch drinne drann …sacht der kenner!
9. Oktober 2012 um 11:41 vormittags |
mir gefällt das wuschig-freche gesichtchen ihres hundes, und der name. frau moll, bei fuß! welches herrchen wird da nicht neidisch. grüße, uwe