Der Trick mit der Textsuppe

Während in der Küche Gemüse geschnitten wird, um eine Suppe zuzubereiten, lege ich mir einen Satz zurecht, der in seiner kompletten Länge nicht genommen werden kann, weil er unverdaulich für das Auge und das Hirn wäre, also zu Hirnblähungen und einem Augenvöllegefühl führen würde. Ich werde ihn zerhacken, ihn in kleine Häutchen schneiden, mindestens aber in mundgerechte Stücke zerlegen.

Hat man die einzelnen Worte auf einem Brett liegen, dann müssen sie in den Topf, in den Text, der noch kein Text ist, sondern erst einer werden soll; ins Weiß müssen sie also rein, in die Schneefläche des Bildschirmpapiers, das sich, bin ich unzufrieden, nicht einfach zerknüllen und in den Mülleimer werfen lässt. Bildschirme kosten ein kleines Autorenvermögen, darum kann ich nicht jeden Tag einen Bildschirmpapierbogen entsorgen.

Befinden sich die Worte im Topf, muss gerührt werden. Herzschmerz muss eingefügt werden. Man würzt die Wortsuppe mit einem Tropfen Liebesleid, einem kleinen Spritzer Hoffnung, um so eine wohlschmeckende Speise auf den Tisch stellen zu können.

Der Text darf nicht überkochen. Weiter rühren, bis der Leser in einem See aus Tränen ersäuft. (Jetzt ist er doch übergekocht.)

Ist das erst geschehen, kann man den Topf vom Herd nehmen. Die Suppe muss, da der Leser tot ist (s.o.), nicht mehr serviert werden, sie kann ins Netz gekippt oder ins Kühlfach gestellt werden, um bei Bedarf den Heißhunger neuer Leser (die alten sind ja nicht mehr, s.o.) in diesen kalten Tagen zu stillen.

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