Jüngste Expertenschätzung gehen davon aus, dass bundesweit rund neun Millionen Menschen vom Burnout-Syndrom betroffen sind. Und das beginnt nahezu immer gleich: Die Arbeit macht keinen Spaß mehr, man schläft schlechter, wird nervöser, unkonzentrierter, ist gereizter, spürt die nahende Überforderung, den Stress, den Frust, die Ohnmacht. Dabei antwortet der Körper nur auf die Seele, die schon lange leidet. Stress beginnt immer im Kopf. Dort bleibt er lange unbemerkt, vielleicht feuert er zuerst sogar noch zu besseren Leistungen an. Doch das nagt an der der Gesundheit, unbemerkt, bis der Körper irgendwann sagt: „Schluss. Aus. Ich kann nicht mehr.“ Und dann ist sie da, mit einem Mal – die Leere, die totale Erschöpfung, das Ausgebranntsein.
Seit Jahren steigt der Stresspegel in den Büros bedenklich an: Allein zwischen 1997 und 2004 haben die seelischen Leiden am Arbeitsplatz um 70 Prozent zugenommen. Jeder fünfte Deutsche zeigt inzwischen typische Stresssymptome wie Kopfschmerzen, Herzrasen, Schlafstörungen oder Durchfall. Jeder zehnte Fehltag soll bereits auf das Konto von Stress gehen. Derlei psychische Belastungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, angeblich gehen dadurch jährlich bis zu sechs Milliarden Euro verloren.
Über den besseren Umgang mit Stress, können Sie hier ja schon einiges lesen. Vielen Ärzten, Psychologen, Anti-Stress-Trainern und auch so manchem Scharlatan hat die Angst vor dem Stress zahllose Aufträge verschafft. Dabei ist nicht jedes Zipperlein ein Zeichen für einen drohenden Zusammenbruch. Oft ist es eben nur ein Zipperlein. Das echte totale Ausgebranntsein hingegen ist eher ein schleichender (und deshalb umso gefährlicherer) Prozess: Der Körper schüttet permanent und auf hohem Niveau Stresshormone aus. Das kann erst zu Durchfall, Kopfschmerzen, Schlafstörungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Man wird aggressiver, kann sich nicht mehr regenerieren, macht Fehler. Dagegen anzukämpfen beschleunigt den Energieverfall dann nur noch. Irgendwann wachsen einem die Dinge über den Kopf. Alles geht schief, die Selbstzweifel nagen am Ego, man isoliert sich, fühlt sich überfordert, hilflos. Schlimmstenfalls wird daraus eine Depression.
Der Burnout trifft keinesfalls nur die Schwachen, die Labilen, die Jammerlappen und Weicheier. Opfer sind oft Menschen zwischen 30 und 50 Jahren, also jene, die gerade den Zenit ihrer körperlichen und geistigen Leistungskraft erreichen. Sie powern für die Karriere, für die Familie und versuchen zu vereinbaren, was oft nicht gelingen kann: Karriere, Kinder, perfekte Partnerschaft, Freunde, ein eigenes Haus. Das kann nicht gut gehen. Immerhin: Das Problem scheint zumindest irgendwie erkannt zu sein. So kam etwa eine Umfrage von NAVO Consulting zu folgendem Ergebnis:
- 86 Prozent der Führungskräfte sehen Burnout als brennendes Thema in den Unternehmen.
- 67 Prozent halten es auch für ein Thema in ihrem Unternehmen. Die Differenz zeigt allerdings: Das Thema wird vorwiegend als Problem der anderen gesehen.
- Bei 33 Prozent wird Burnout sogar tendenziell tabuisiert.
Und genau das ist das Problem: Viele erkennen ihr eigenes Ausbrennen erst, wenn es bereits zu spät ist. Umso wichtiger ist es, auf Warnsignale des Körpers zu hören und rechtzeitig gegenzusteuern.? Falls Sie sich also gerade fragen, ob Sie zu den Gefährdeten gehören: Es gibt ein paar Anzeichen dafür, dass Sie auf dem besten Weg sind, ein Burnout-Opfer zu werden. Machen Sie dazu den kompakten Selbsttest, der auf Sypmtomen beruht, die in der medizinischen Stress- und Burnout-Forschung immer wieder genannt werden:
Wie viele der folgenden Aussagen treffen auf Sie zu?
- Meine Arbeit macht mir immer weniger Spaß.
- Mir werden meine täglichen Aufgaben allmählich zuviel.
- Ich habe das Gefühl, nichts zu bewirken und nur ein Rad im Getriebe zu sein.
- Ich mache mir viele Sorgen, manche davon sind regelrecht Ängste.
- Ich traue mir weniger zu als früher.
- Mir fällt es zunehmend schwer, mich zu konzentrieren.
- Ich habe kaum noch neue Ideen, fühle mich unkreativ.
- Ich kann mich aber auch kaum zu Neuem aufraffen.
- Ich kann mich kaum noch entspannen – auch nicht in den Pausen.
- Ich fühle mich leer und ausgelaugt.
- Ich spüre eine wachsende Traurigkeit über meinem Leben.
- Ich komme morgens schwerer aus dem Bett.
- Ich leide neuerdings unter Schlafstörungen.
- Ich wache morgens kaputt und matt auf.
- Ich bin tagsüber häufiger und schneller müde.
- Ich trinke abends schon mal mehr Alkohol, um zu entspannen.
- Ich habe seit kurzem Magen-Darm-Probleme.
- Ich habe seit kurzem Rückenschmerzen.
- Ich habe seit kurzem Herz-Kreislauf-Probleme.
- Ich leide öfter unter Kopfschmerzen.
- Ich nehme Tabletten, um die körperlichen Symptome zu unterdrücken.
- Ich nehme Drogen, um mein Pensum zu schaffen.
- Ich fühle mich häufig angespannt und gereizt.
- Ich fühle mich im Job zunehmend isoliert und alleinegelassen.
- Ich werde neuerdings schnell aggressiv.
- Meine Familie findet, ich habe mich verändert.
- Die Lust am Sex hat bei mir deutlich nachgelassen.
- Ich treffe mich seltener mit meinen Freunden.
- Meine Hobbys pflege ich kaum noch.
Psychische Symptome
Körperliche Symptome
Soziale Symptome
Auswertung
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Interessanterweise sind laut Statistiken Frauen beim Thema Burnout stärker gefährdet als Männer. Sie neigen vermehrt dazu, es allen recht machen zu wollen, und sie stützen ihr Selbstwertgefühl öfter auf äußere Anerkennung. Was man dagegen und gegen das Ausbrennen tun kann? Der erste Schritt ist: die richtige Diagnose zu finden. Ein Spezialist, Psychiater oder Psychologe sollte prüfen, ob es sich um ein nahenden Burnout oder um eine Depression handelt, denn die werden unterschiedlich behandelt. Im zweiten Schritt müssen die Ursachen für den Dauerstress erkannt werden, etwa durch einen Stresstest. Erst im dritten Schritt beginnt die Therapie. Die wichtigsten Fragen, die man dabei klären muss, lauten: Wie lege ich den Dauerstress ab? Kann ich die Probleme im Team lösen oder liegt es an mir selbst? Wie gewinne ich mehr Gelassenheit? Wie erkenne ich meine Ressourcen? Und kann ich die Probleme selbst lösen, oder brauche ich professionelle Hilfe?
Aber auch selbst kann man einiges vorbeugend tun: Eine andere Einstellung zum Beruf und die Arbeitsbelastung so verändern, dass diese weniger lange nachstrahlt. Das klingt simpel, ist aber der effektivste Weg. Bei dem Fall, dass einen die Arbeitsprozesse bis in den Feierabend oder über das Wochenende beschäftigen, hilft auch, vor Arbeitsschluss oder am Freitagabend alle Gedanken und problematischen Aufgaben in einen separaten Ordner oder in ein Heft zu schreiben und danach sprichwörtlich zur Seite zu legen. Das Zweite: Sie können die Stressauslöser identifizieren und so ihre Denkstile hinterfragen: Ist das Problem wirklich so groß? Was ändert sich, wenn ich hier und jetzt darüber brüte? Was, wenn ich einfach erst morgen daran weiterarbeite?
Drittens: Vermeiden Sie zu langes Grübeln. Das zermürbt: Ob Sorge um Arbeitsplatz oder Gesundheit der Kinder, Mangel an sozialen Kontakten oder Ärger mit den Nachbarn – diese alltäglichen Widrigkeiten reiben mehr auf, weil die Gedanken ständig darum kreisen. Und das verursacht genauso viel Stress wie die Situation selbst. Das belegt ein Experiment von William Gerin von der Columbia-Universität: Je 30 Frauen und Männer sollten sich an eine Situation aus dem vergangenen Jahr erinnern, bei der ihnen der Kragen geplatzt war. Noch während sie das Übel ihren Versuchsleitern schilderten, schnellten bei allen Blutdruck und Herzfrequenz nach oben. Sie zeigten sämtliche Symptome von akutem, starkem Stress. Kurz darauf wurden die Teilnehmer in einen Ruheraum geschickt – im ersten Durchlauf war dies ein karges Wartezimmer, beim zweiten bot der Raum reichlich Ablenkung in Form von Zeitschriften oder Spielen. Effekt: Bei jenen, die sich ablenken konnten, kreisten nur noch 17 Prozent der Gedanken um den vergangenen Ärger, bei den isolierten Grüblern dagegen waren es 31 Prozent – fast doppelt so viel. Sie beruhigten sich auch erst elf Minuten später als die Zerstreuten. Fazit: Ständiges Grübeln hält den Stresslevel auf konstantem Niveau – unabhängig vom Ereignis.
Die Gegenstrategie: Positives Denken und körperliche Aktivität. Konzentrieren Sie sich lieber auf schöne Ereignisse. Im Fachjargon heißt das Wahrnehmungslenkung. Dabei wird das, was Stress verursacht, für eine Weile aus den Gedanken verdrängt und die Konzentration stattdessen auf ein äußeres oder inneres Bild gerichtet – etwa auf ein schönes Gemälde oder die Erinnerung an einen entspannenden Urlaub. Effekt: Der Stressauslöser erscheint in einem anderen Licht: Alles halb so schlimm! Der noch junge Forschungszweig der Psychoneuroimmunologie konnte nachweisen, so etwa eine Studie der Psychologie-Professorin Margaret Kemeny, dass das Gehirn mithilfe entsprechender Gedanken in der Lage ist, Stoffe zu produzieren, die sonst nur in hochpotenten Medikamenten vorkommen. Leichter Ausdauersport wirkt ähnlich, 20 Minuten bis eine halbe Stunde reichen schon – auch das macht den Kopf frei.
Und: Reden Sie mit anderen Menschen, Familienmitgliedern oder Freunden, über das, was Ihnen Sorgen macht! So können die Sorgen erst gar nicht zu unüberwindbaren Gedankengebirgen auswachsen. Darüber hinaus gibt es noch ein paar weitere kompakte…
Anti-Burnout-Tipps
- Kämpfen Sie gegen Ursachen, nicht gegen Symptome! Gegen Müdigkeit hilft nicht mehr Kaffee, sondern regelmäßige Pausen, regelmäßiger Schlaf, gesundes Essen und Ausgleichssport.
- Setzen Sie Prioritäten! Jeder Mensch hat gleich viel Zeit – man muss sie nur richtig einteilen. Was müssen Sie erledigen? Was sind die Zeitfresser? Wie können Sie die Zeit besser einteilen? Manches lässt sich delegieren.
- Überprüfen Sie Ihre Erwartungen! Genauso wenig wie Sie allen gefallen können, können Sie andere ändern. Machen Sie sich frei von übernommenen Statusbildern und Rollenmustern.
- Gehen Sie Konflikte offensiv an! Ungeklärtes runterzuschlucken oder in sich hineinzufressen, zermürbt und zehrt an der Leistungskraft. Entweder Sie bleiben Teil des Problems oder werden Teil der Lösung.
- Klären Sie Ihre Aufgaben! Überforderung entsteht, wenn berufliche Kompetenzen und Erfolgskriterien nicht klar definiert sind. Schaffen Sie sich emotionalen Halt durch Gewissheit.
Und falls Sie dem obigen Stresstest nicht trauen: Die Röher Parkklinik bietet ebenfalls einen kostenlosen Fragebogen mit anschließender Auswertung an, die eine erste Grundlage für eine individuelle Burnout-Beratung sein kann.
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sevenjobs
Ja, ja, ja: alles wahr. So schlimm allerdings der burnout auch ist, er öffnet einem die Augen. Rational erkennt man Symptome, will sie aber nicht wahrhaben, ‘burnout’ ist nur was für andere. Erst wenn man am Boden liegt, und das tut man tatsächlich, dann muss man sich auch emotional mit sich und den Lösungsmöglichkeiten beschäftigen. Und das ist schwierig. Sie stellen genau die richtigen Frage, aber die Fragen sind leicht, aber die Antworten zu finden fordert ein hohes Maß an selbsterkenntnis. Die Umsetzung schließlich der Lösungen erfordert Stärke und Selbstbewußtsein.
Aus eigener erfahrung: kein einfacher Weg, aber jeder Tag an dem man sich besser fühlt, ist eine neue Bestätigung und neuer Ansporn auf dem neuen Weg weiterzugehen!
Jochen Mai
Hoffentlich öffnet er einem die Augen… Andererseits: Besser man merkt es vorher. Sicher, sein Verhalten zu ändern, alte Gewohnheiten sich wieder abzugewöhnen und sich selbstkritische Fragen zu stellen, ist nicht einfach. Behauptet auch keiner. Aber ein wenig Selbstreflektion und Kurskorrektur schadet keinem – nicht mal dem Stressfreien…
Holger Reich
Einerseits ist es schick über burnout zu reden – man ist fleißig und vllt. sogar unentbehrlich. Andererseits bieten die Unternehmen – insbesondere börsennotierte – einen idealen Nährboden für Burnouts. Alles unterliegt dem Diktat der Gewinnmaximierung und damit wird regelmäßig an der Schraube Personalkosten gedreht. Ganze Abteilungen werden eingestellt und die Arbeit auf benachbarte Bereiche umgelegt. Die Aktionäre freut es – und die Ärzte/Seelsorger/Psychologen auch.
Roland Kopp-Wichmann
Aus meiner Erfahrung als Psychotherapeut und Coach sind von Burnout vor allem Menschen betroffen, die zwei Konflikte mit sich herumtragen. Der erste ist, es allen recht machen zu wollen, nicht egoistisch erscheinen wollen und den Kontakt zu eigenen Wünschen und Grenzen verloren haben.
Die zweite Gruppe will noch etwas beweisen. Dass sie nicht doof sind, auch etwas wert sind, besser sind als der größere Bruder, die ältere Schwester.
Diese inneren Konflikte sind fast immer unbewusst, deshalb sind die hilfreichen Tipps zwar richtig, helfen den Betroffenen aber oft wenig, weil sie sie nicht umsetzen können. Der innere Konflikt und die beiden oben beschriebenen Strategien sind meist stärker.
Der Burnout kann in diesem Licht auch als ein unbewusster Rettungsversuch gesehen werden, nach dem Motto “Das Symptom – der Burnout – ist die Lösung”. Lösung eben für diese Überforderung, der der Betreffende nichts entgegenzussetzen weiß. Die Seele oder Psyche zieht dann letztlich den Stecker raus, weil sie weiß, dass der Mensch anders nicht zu stoppen ist.
Lernt der Mensch nicht wirklich, wofür der Burnout steht, ist oft nach einer Erholungsphase und vielen guten Vorsätzen der Weg in den nächsten Kurzschluß vorgezeichnet. Ich arbeite mit Menschen, die drei Burnouts hinter sich haben. Insofern taugt auch das Konzept vom fehlenden Leidensdruck nichts.
Guter, umfassender Artikel, Herr Mai.
Jochen Mai
@Roland Kopp-Wichmann: Danke. Nun, da Sie meine Neugier geweckt haben, muss ich aber zurückfragen: Welche Strategien helfen dann – aus Ihrer Erfahrung – am besten?
Martin Winkler
Gute Zusammenfassung zum Thema Burnout. Ich sehe es aber auch so, dass es nicht nu die Imbalance zwischen zu viel Arbeit und zu wenig Ausgleich ist. Häufig spielen emotionalen Sollbruchstellen bzw. Verletzungen aus der Vergangenheit eine Rolle, die sich dann in der Konfliktsituation wieder zeigen, aber nicht gelöst werden sollen. Ein “Seelenklempner” wäre da hilfreich, sicher aber nicht ein herkömmlicher Psychiater. Man müsste schauen, wo es im Innensystem hakt. Über innere Bilder kommt man sehr leicht an diese Problemursachen.
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