Ein Interview mit Düsseldorfer Reputations-Experten Frank Wilmes
Frank Wilmes hat bereits so einige Erfahrungen in Sachen Public Relations und Wirtschaftsjournalismus gesammelt. Der Betriebswirt volontierte unter anderem beim Handelsblatt, schrieb für WirtschaftsWoche, Welt und Capital und gründete 2003 seine Agentur für Krisen-PR, strafrechtliches Risikomanagement und Personality Marketing.
Herr Wilmes, was sind denn die häufigsten Reputations-Krisen?
Die Krisen der Zukunft sind komplexer, verzahnter und schwerer einzuschätzen. Waren früher Umweltkrisen in aller Munde, sind es heute Sexaffären, Managementfehler, Massenentlassungen, Produktfehler, Finanzskandale. Die Krisen werden personenbezogener. Wenn die Menschen unter Arbeitslosigkeit und Sozialeinschnitten leiden, dann erhalten Strafprozesse gegen Manager wegen Korruption, Bilanzfälschung oder Vorteilsnahme eine eigene Dynamik. Diese Kampagnen sind geprägt durch Schlagworte wie „Lebensqualität“ und „Gerechtigkeit“. Wer in einem dieser Bereich patzt oder bei einem Vorwurf nicht sofort seine „Unschuld“ beweisen kann, gerät schnell unter starken öffentlichen Druck.
An welchen Symptomen erkennt man eine veritable Image-Krise?
Eine Krise ist wie eine Krankheit. Sie kommt plötzlich wie ein Herzinfarkt, wuchert dann aber langsam wie Krebs. Wer diese Krankheit leugnet, hat kaum Chance auf Heilung. Konkret heißt das: Eine Krise liegt dann vor, wenn der Kunde nach einem Ereignis das Produkt meidet, der Investor die Aktie verkauft, die Mitarbeiter keine Lust auf Leistung haben, die Medien sich auf das Unternehmen einschießen und der öffentliche Druck zunimmt. Ein Problem ist also dann krisenhaft, wenn es den Erfolg so grundlegend beeinflusst und die Situation so außergewöhnlich negativ ist, dass das Unternehmen partout nicht in der Lage ist, die Probleme zügig in den Griff zu bekommen.
Und wie verläuft eine solche Krise üblicherweise?
Wenn eine Krise öffentlich bekannt wird, erreicht sie nach zwei bis vier Tagen ihren Höhepunkt, und danach ebbt das öffentliche Interesse wieder ab. Aber diese wenigen Tage können ausreichen, um Vertrauen und Reputation komplett zu verspielen. Ich wundere mich immer wieder, dass selbst gestandene Führungskräfte in einer Krise scheitern. Sie erkennen viel zu spät die Bedrohungen, ziehen falsche Schlüsse und sind dann zu einer zielgenauen Krisenabwehr nicht mehr in der Lage. Ich schätze, dass sich in rund 80 Prozent aller Fälle die Krise nur deshalb verschärft, weil es keine plausiblen Gegenmaßnahmen gibt. Diese Fahrlässigkeit führt dazu, dass Manager im Handumdrehen ihrem Unternehmen großen Schaden zufügen.
Welche Rolle spielen dabei aus Ihrer Sicht die Journalisten und Medien?
Ohne Medien keine Krise. Die Journalisten bestimmen mit ihrer Berichterstattung Tempo und Umfang einer Krise. Sie sind ja auch verpflichtet, Schieflagen und Fehlentwicklungen heraus zu arbeiten. Damit ist aber auch klar, dass erst durch die Veröffentlichung eines Problems das Unternehmen in die Defensive gerät. Und die Nachrichten verbreiten sich heute derart schnell, dass das Unternehmen keine Chance hat, zeitnah zu reagieren, wenn es darauf nicht vorbereitet ist.
Wie sollte man dann darauf reagieren?
Zunächst einmal ist wichtig, dass die Nummer eins des Unternehmens vorerst keine Stellungnahmen abgibt, um sich im weiteren Verlauf der Krise nicht zu beschädigen. Erst wenn die wahren Probleme und das Ausmaß erkannt sind, kommt sein Auftritt. Er verkündet Lösungen und weist damit den Weg in die Zukunft. Allerdings gibt es dafür eine Ausnahme: Bei Unglücken mit Todesfällen und Schwerstverletzten muss die Nummer eins unbedingt vor Ort erscheinen, um den Betroffenen seine Referenz zu erweisen. Das gehört sich einfach so. In allen Fällen sollte das Unternehmen zunächst keine Fehler einräumen, um im Falle einer juristischen Auseinandersetzung alle Rechtspositionen zu wahren. Der Presssprecher sollte in einer Pressemitteilung klar stellen, dass sich das Unternehmen um eine vollständige und rasche Aufklärung bemüht. Im Fall einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung empfiehlt sich der Hinweis, dass das Unternehmen selbstverständlich mit den Behörden zusammen arbeitet.
Und wann sollte man darauf reagieren?
In einer Krise leidet die Glaubwürdigkeit und der Erklärungszwang nimmt zu. Die Fragen überschlagen sich und lauten fast immer: Was ist passiert? Wie ist es passiert? Wie konnte es dazu kommen? Wer ist schuld? All die Fragen setzen ein Unternehmen natürlich unter Reaktionsdruck. Ich rate dennoch dringend dazu, dass das Unternehmen erst die notwendigen Informationen beschafft, um die Krise mit Sachverstand und Menschenverband angehen zu können. Wer nicht unklar sieht, läuft Gefahr, die Krise zu verniedlichen oder aufzubauschen. Verniedlichung erzürnt die Leute, aufbauschen ist einfach nur dumm. Und beides wird bestraft. Damit fördert man nur die Jagdinstinkte der Journalisten.
Was verstärkt typische Krisen eher noch?
Durch Nachlässigkeiten und Übertreibungen kann aus einer beherrschbaren Krise eine unberechenbare werden. Ganz schlecht: Lügen. Wer lügt, hat schon verloren. Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit sind eine absolute Selbstverständlichkeit. Allerdings: Man muss nicht alles sagen, was man weiß – aber das, was man sagt, muss unbedingt wahr sein. Nicht minder gefährlich: Wer sich permanent äußern will, obwohl er keine neuen Fakten hat, macht sich verdächtig. Wer Opfer in Frage stellt, verspielt zudem seine Moral. Und wer ständig mit dem Gesetz herumläuft, um Gegner einzuschüchtern, macht sich lächerlich.
Was kann und sollte der Einzelne tun, wenn er selbst in seinem Ruf betroffen ist?
Wer ein Imageproblem hat, braucht Ausdauer, um seinen Ruf wieder zu reparieren. Entscheidend aber ist, dass nicht alle von einem positiv denken, sondern dass die maßgeblichen Personen gut über ihn denken. Nach diesen Entscheidungsträgern und Multiplikatoren richtet sich dann das konkrete Reputationsmanagement. Die Kernfrage für Betroffene lautet also: Mit welchen Methoden erreiche ich diese maßgeblichen Personen, um mein negatives Image zu korrigieren? Häufig gelingt das, indem Sie Themen und Begriffe kompetent und sympathisch besetzen, damit Sie Ihr spezielles Publikum positiv überraschen. Dabei sollten Sie sich nicht verzetteln, sondern genau überlegen, mit welchen Maßnahmen Sie die größtmögliche Wirkung erzielen. Ein systematisches Reputationsmanagement umfasst Medienarbeit, Buchveröffentlichung, Vorträge, Sponsoring, Treffen mit Interessengruppen und Teilnahme an gesellschaftlichen Anlässen.
Es wird aber wohl kein Manager mal eben ein Buch veröffentlichen, sobald er wegen eines Skandals in die Schlagzeilen gerät.
Natürlich nicht. Es geht darum, alle Spielarten so zu verzahnen, damit ein stimmiges Bild entsteht. Nehmen Sie den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel: Er denkt sicherlich daran, wie er nach einer zweijährigen Schamfrist wieder lukrative Mandate erhält. Wenn sein Ruf dann aber noch immer schlecht ist, hat er – zumindest in Deutschland – keine guten Chancen. Wie muss also der neue Zumwinkel aussehen, damit der alte Zumwinkel in Vergessenheit gerät? Weil er im Ruf eines Raffkes steht, engagiert er sich etwa für soziale Projekte oder er gründet eine Stiftung. Damit der neue Zumwinkel mit diesem Thema ins Bewusstsein der Menschen dringt, muss er dieses Thema durchweg kommunizieren. Nichts darf dem Zufall überlassen bleiben. Es muss klar sein, wann, wo und wie der neue Zumwinkel sein Thema aufgreift und vermittelt. Nur wenn er das für eine längere Zeit durchhält und glaubwürdig wirkt, kommt er aus dem Imageloch wieder heraus.
Und welche Ratschläge geben Sie Managern, die bereits auf der Anklagebank sitzen?
Wenn es zur Hauptverhandlung kommt, hat der Manager bereits die erste Schlacht verloren. Aus dem Beschuldigten wird ein Angeklagter. Ein Gerichtsverfahren zehrt an den Nerven. Die Situation ist peinlich und unangenehm. Selbst gestandene Persönlichkeiten verlieren in einer solchen Situation ihr Maß. Sie versuchen zu lachen, obwohl ihnen zum Weinen zumute ist. Ich sage denen immer: Behalten Sie ihre Würde. Und vermeiden Sie Rechthaberei und Besserwisserei! Das natürlich alles andere als einfach, wenn der Prozess unter massiver Medieneinwirkung stattfindet. In vielen Fällen lautet die Gleichung: Medienöffentlichkeit gleich Existenzvernichtung. Der Angeklagte hat nur eine Chance: Er muss sein schiefes Bild korrigieren.
Und wie?
Zunächst einmal ist es extrem wichtig, jedes öffentliche Statement des Staatsanwalts und anderer gegnerischer Stimmen auszuwerten, um darauf angemessen reagieren zu können. Außerdem sollte der eigene Anwalt wichtigen Journalisten den Sachverhalt in Hintergrundgesprächen unbedingt erläutern. Abhängig vom Verlauf des Prozess ist auch ein Exklusiv-Interview sinnvoll, um in die Offensive zu kommen. Bis auf eine Einschränkung: Vorerst kein Kontakt zur Boulevard-Presse! Die bedient oft nur den Massengeschmack und spitzt ihre Geschichten undifferenziert zu. Auch bei so genannten Enthüllungsjournalisten sollten Sie näher hinsehen. Denn deren Reputation hängt oft von kritischen Berichten ab. Und wenn all das nicht funktioniert, kann man es so machen wie der Angeklagte in einem Korruptionsprozess: Er bezahlte seiner Heimatgemeinde die komplette Renovierung der Kirche, um vom irdischen Prozess abzulenken.
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Jan Schmidt
Danke für diesen sehr nützlichen und informativen Artikel. Werde mir das Buch sicher bestellen. Schließlich ist die beste Taktik gegen Krisen vorbereitet zu sein.