Ein Gastbeitrag der Managementberaterin Anne M. Schüller
Frauen gehören an die Hebel der Macht. Und sie sollen auch gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen. Logisch, sagt der gesunde Menschenverstand. Doch die Realität sieht immer noch ganz anders aus. Woran das liegt? An der unterschiedlichen männlichen und weiblichen Hirnarchitektur.
Auch wenn tradierte Geschlechts- und Rollenidentitäten längst überholt zu sein scheinen, die tiefer liegenden limbischen Strukturen unseres Oberstübchens tun sich damit recht schwer. Denn jahrmillionenalte Neuroprogramme sind selbst beim besten Willen nur mühsam umzuschreiben. Viele Arbeits- und Bewertungsschritte des limbischen Systems sind, so die Hirnforscher, unserem Bewusstsein und damit unserer Kontrolle nämlich völlig entzogen.
Männliche Hirne
Männliche Hirnarchitektur strukturiert hierarchisch und deshalb müssen sich Männer auch messen (”Wer hat den längsten… Balken im Powerpoint Erfolgsdiagramm.”) Aber: Man misst sich nur mit seinesgleichen. Schon kleine Jungs lernen im Kindergarten: Mit Mädchen prügelt man sich nicht. Das Resultat manifestiert sich wenig später in den Führungsetagen, den Spielplätzen der Macht. Für ein typisches Alphamann-Hirn ist – wenn auch subliminal – eine Frau einfach nur Beta. Wer jedoch in der Hackordnung weiter unten steht, bekommt auch weniger ab. Geringerer Lohn bei gleicher Arbeit ist nur ein sichtbares Zeichen dafür.
Gerade die Chefetagen sind oft nichts anderes als Abenteuer-Spielplätze, auf denen hoch bezahlte Jungs mit den Bauklötzchen der Macht spielen (dürfen). Abgesehen von hinderlichen Intrigen und peinlichem Testosteron-Schaulaufen führt dies auch dazu, dass einer bereit ist zu verlieren, nur damit der andere nicht gewinnt. Multis, Konzerne und Dax-Unternehmen, in denen es große Territorien und viel öffentliches Ansehen zu verteidigen gilt, sind von solchen Phänomen besonders betroffen. Denn Testosteron schaukelt hoch.
Maßloses Geltungsbedürfnis, nervenaufreibendes Statusgerangel und Positionen-Geschacher haben dann in erster Linie Ego-Intentionen – und nicht das Allgemeinwohl zum Ziel. Testosteron kann ein wunderbarer Antreiber sein, es sorgt für Wachstum und Fortschritt, und bringt uns damit mächtig voran. Doch in den falschen Hirnen ist es ein Teufelszeug. Es befeuert Eskalation und fabriziert den gefürchteten Machtrausch.
Weibliche Hirne
Frauen sind hirnstrukturell viel eher auf erhalten statt notfalls zerstören und auf Konsens statt Konfrontation programmiert. Doch leider: Wer auf dem Schlachtfeld der Wirtschaft eher defensiv anstatt offensiv reagiert, hat offensichtlich weniger gewagt und deshalb nach männlichen Regeln auch weniger Lorbeeren verdient. Weicheier sind eben nur zweite Wahl.
Und wie erklärt sich das?
Neuro-chemische Gemenge-Situationen, hormonelle Treiber und Botenstoffe sorgen beim Mann für eine vermehrte Leistungsmotivierung, bei Frauen hingegen stehen Sozialmotive eher im Vordergrund. Während sich Männer im Allgemeinen verstärkt mit Instrumenten, Strukturen und Prozessen, also mit Macht und Kontrolle befassen, wollen Frauen vornehmlich wissen: Wie geht es den Menschen dabei? Deshalb hat gerade das Thema Gerechtigkeit für sie einen hohen Stellenwert.
Frauen sind in aller Regel auch schlechtere Selbstdarstellerinnen, und das kommt so: In bedrohlichen Situationen wird – ohne dass dies beeinflusst werden kann – bei Frauen ein Hormoncocktail ausgeschüttet, der ängstlich macht und daran hindert, dominant aufzutreten.
Ferner sind bei Frauen die für Zweifel zuständigen Zentren im Hirn länger aktiv. So machen sie sich eher Sorgen, sehen Gefahren an jeder Ecke lauern – und ihre eigene Leistung kritisch. Und Sie suchen die Schuld bei sich, Männer hingegen suchen sie bei anderen. Außerdem halten Verstimmungen bei Frauen länger an als bei Männern. Deshalb helfen ein paar Affirmationen und lautes Tschakka-Geschrei nicht weiter. Auch wenn selbsternannte Gurus das geschäftstüchtig gerne behaupten. So einfach lässt sich die Hirnarchitektur eben nicht manipulieren.
Frauenpower
Frauen sollen sich nicht verbiegen müssen, sondern ihre spezifischen Talente einbringen dürfen. Denn ganz ohne Zweifel: Nur wenn Männer und Frauen ihr Bestes in die wirtschaftliche Entwicklung einpowern können, ist diese Welt zu retten. Mehr Frauen in Top-Positionen können und müssen den Unternehmen helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Das evolutionäre Trainingsprogramm hat ihre Intuition besser entwickelt, das Leben in der Gemeinschaft hat ihre soziale Kompetenz, ihre Kooperationsfähigkeit und ihre Kommunikationstalente geschult, dem beschleunigten Wandel begegnen sie mit höherer Flexibilität, der Zugang zu ihren Gefühlen ist nie verloren gegangen. Solches Können ist zunehmend gefragt. Und es muss Raum dafür geben.
Es sind die Frauen, die die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts revolutionieren werden. Doch dafür müssen die Spielregeln der Macht überdacht und angepasst werden. Denn sonst wollen und werden Frauen ganz Oben nicht mitspielen – jedenfalls nicht um den Preis von 70-Stundenwochen, Burnout, Mobbing und schlechter Bezahlung. Und sie können es auch nicht. Denn ihre Hirnarchitektur ist anders gebaut.
Was sich ändern muss
Natürlich müssen sich viel mehr Frauen viel, viel lauter zu Wort melden und vehement auf ihre Rechte pochen. Vor allem aber müssen sich die betrieblichen Rahmenbedingungen und die dem entsprechenden Strukturen und Ziele ändern. Wachsen um jeden Preis ist, wie uns derzeit wieder grausam vor Augen geführt wird, sowieso ein Auslaufmodell.
Viel mehr Frauen müssen aber auch in der Medienberichterstattung Eingang finden. Man nehme nur mal ein handelsübliches Wirtschafts- oder Marketingmagazin und zähle nach: Zu weit mehr als 90 Prozent wird dort über Männer berichtet, Männer werden zitiert und erhalten Raum zur Selbstdarstellung. Männliche Experten werden auch gleich superlativ zu Päpsten und ähnlichem hochstilisiert – bei weiblichen Experten macht man das nicht. Mann misst sich eben mit Mann.
Viel mehr Frauen müssen auch auf Kongress-Bühnen. Man schaue sich nur mal die großen Veranstaltungsprogramme daraufhin an: Auf dem 18. Münchner Management Kolloquium: 60 männliche Referenten, eine vortragende Frau. Auf dem Deutschen Verkaufsleiterkongress: Seit Jahren keine Frau auf der Bühne. Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Und es ist gefährlich. Denn auf Kongressen wird uns Zukunft verkauft.
Das Web 2.0 zeigt uns den Weg
Gemeinsames Siegen ist wirkungsvoller als konfrontatives Be-siegen. Respektvolles Miteinander funktioniert besser als machtbesessenes Gegeneinander. Manager müssen zu Menschenverstehern und Unternehmen zu Beziehungsarchitekten werden. Von einer kooperativen Atmosphäre profitieren alle Beteiligten, von einer aggressiven hingegen nur wenige. Wir brauchen Freunde und nicht Feinde in einer sich zunehmend vernetzenden Welt.
So werden die Werte, für die das Web 2.0 heute steht, nämlich
- Dialog und Interaktion
- Teilen und Partizipation
- Transparenz und Wahrhaftigkeit
- Kreativität und Schnelligkeit
- Beiträge leisten und helfen wollen
unseren Lebens-, Kauf- und Arbeitsstil zunehmend prägen. Für dieses neue Szenario sind vor allem Frauentalente vonnöten. Und dies muss sich endlich auch in der betrieblichen Vergütungspraxis widerspiegeln. Schluss also mit dem Abspeisen von Frauen als zweite Wahl!
Gleicher Lohn für ihre Leistung – in Form von Anerkennung und natürlich auch in Form von Geld.
Über die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementberaterin und Expertin für Loyalitätsmarketing. Sie hat über 20 Jahre in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener Dienstleistungsbranchen gearbeitet. Die Diplom-Betriebswirtin und Bestseller-Autorin (Ihr Buch “Kundennähe in der Chefetage” wurde mit dem Schweizer Wirtschaftsbuchpreis 2008 ausgezeichnet.) gehört zu den zehn besten Speakern in Deutschland (Conga Award 2010) und lehrt an mehreren Hochschulen.
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