Ein Interview mit dem Journalist und Buchautor Matthias Nöllke
Matthias Nöllke* hat ein lesenswertes Buch über Machtspiele geschrieben. Status, Einfluss, Erfolg, Karriere – allesamt Folgen, die durch Ränkekämpfe bestimmt werden. Folglich gilt es, den Blick im Umgang mit der Macht zu schärfen, die Spielregeln und Rituale dahinter zu erkennen und zu durchschauen und diese für sich nutzbar zu machen. Wie das geht und wer mit wem wie spielt, erzählt Nöllke im Interview.
Herr Nöllke, Sie schreiben über Machtspiele. Ist Karriere nur ein Spiel?
Machtspiele und Karriere sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Zwar dürfte es für Ihre Karriere hilfreich sein, wenn Sie Machtspiele durchschauen und zu spielen verstehen, nicht zuletzt die Karrierespiele. Doch gibt die Hierarchie nicht immer darüber Aufschluss, wer in der Organisation die Machtspiele am versiertesten betreibt und wer immer noch nicht begriffen hat, was eigentlich läuft. Auch am Fuß der Hierarchie kann man mit großem Erfolg Machtspiele betreiben und seinen Vorgesetzten in der Luft hängen lassen.
Was sind dann Machtspiele?
Machtspiele haben in der Regel das Ziel, seinen Willen durchzusetzen. Das geschieht, indem man Einfluss auf andere nimmt oder ihre Einflussversuche abwehrt. Dabei zeichnen sich Machtspiele durch charakteristische Muster aus, es gibt bestimmte Regeln, typische Spielzüge, Spieler und Gegenspieler. Und noch etwas gehört zu jedem Machtspiel dazu: die Doppelbödigkeit. Es muss immer einen Widerspruch geben zwischen dem, was jemand sagt, und dem, was er meint.
Sie unterscheiden zwischen Boss- und Mitarbeiter-Spielen. Was sind denn typische Boss-Spiele?
Boss-Spiele dienen vor allem der Machtdemonstration. Sie zeigen unmissverständlich, wer das Sagen hat. Ihr Ruf ist miserabel, und doch erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Sie haben ja auch ihren Sinn: Macht muss ausgeübt, muss demonstriert werden, sonst schwindet sie dahin. Deshalb hauen manche Manager unvermittelt auf den Tisch und putzen einen Mitarbeiter herunter, obwohl es sachlich dafür keinen Grund gibt. Oder sie kritisieren einen Untergebenen in Grund und Boden, um ihn dann wieder großherzig aufzubauen. Genauso beliebt: Sie führen im Kreis der Kollegen vor, wie gut sie ihre Assistenten im Griff haben, erteilen sinnlose Anweisungen, die bereitwillig ausführt werden. Eine reine Showveranstaltung.
Und Mitarbeiter-Spiele?
Mitarbeiter-Spiele begrenzen die Macht der Vorgesetzten. So können Mitarbeiter den Umstand, dass ein anderer Verantwortung trägt oder Ergebnisse liefern muss, für sich ausnutzen. Ihr Vorgesetzter steht unter Zugzwang. Er muss Entscheidungen treffen, auch wenn er damit überfordert ist. Hier können die Mitarbeiter ihren Einfluss geltend machen; sie kontrollieren bestimmte Bereiche, die ihr Chef nicht durchschaut. Das gibt ihnen Macht. Dabei sollte man sich jedoch keinen Illusionen hingeben und die Mitarbeiter für die eigentlich Mächtigen in einer Organisation halten. Das sind sie eben nicht. Dennoch können sie den Einfluss ihres Vorgesetzten begrenzen. Etwa indem sie vorgeben, beschäftigt, ja, überlastet zu sein; indem sie Vorgaben kreativ umdeuten oder indem sie sich exakt an Anweisungen halten und genau dadurch das Projekt scheitern lassen.
Wer spielt denn in der Regel besser?
Die Spiele der Vorgesetzten und der Mitarbeiter laufen grundsätzlich verschieden ab. Von daher kann man das schwer vergleichen. Im Übrigen haben die Vorgesetzten auch die Möglichkeit, vermeintlich weichere Machtspiele zu initiieren, die so genannten Soft-Power-Spiele, die ganz anders funktionieren als Boss-Spiele, aber mindestens so abgefeimt sein können.
Nämlich?
Geradezu virtuos spielen manche Vorgesetzte mit dem Thema Eigenverantwortung. Sie verpflichten ihren Mitarbeiter auf ein bestimmtes Ziel – jenes, das sie selbst erreichen möchten. Den Weg, wie er dorthin gelangt, stellen sie ihm frei. Indem sie die Verantwortung ihrem Mitarbeiter übertragen, ist der gehalten, sich viel stärker ins Zeug zu legen. Doch in Wahrheit setzt der Vorgesetzte doch nur seinen Willen durch. Macht und Verantwortung haben weniger miteinander zu tun, als gemeinhin angenommen wird: Wer Macht sucht, muss Verantwortung loswerden können, ist vielleicht der wichtigste Satz in meinem Buch.
Einige der vorgestellten Techniken sind nicht gerade menschenfreundlich. Muss das sein?
Um Himmelswillen, als Techniken würde ich Machtspiele gerade nicht verstehen – und die menschenunfreundlichen schon gar nicht. Es geht darum, die weit verbreiteten Machtspiele zu durchschauen und zu überlegen: Was kann ich tun? Soll ich dagegenhalten, mitspielen oder das Spiel durchkreuzen? Aber wenn Ihre Frage dahin zielt: Gibt es nicht Organisationen, in denen gar keine Machtspiele stattfinden, würde ich sagen: Das glaube ich nicht.
Das glaube ich auch nicht. Allein Begriffe wie Mobbing, Bossing, Intrigen, Verleumdung & Co. zeigen an, dass besonders schmutzige Machtmittel offenbar besonders effektiv wirken, sonst wären sie nicht so weit verbreitet.
Ich denke nicht, dass die schmutzigsten Machtspiele auch die effektivsten sind. Das Gegenteil trifft eher zu: Versierte Machtspieler verstehen sich vor allem auf sehr subtile Spiele, bei denen ihre eigene Rolle eher unklar bleibt. Unter den unfairen Spielen würde ich die für besonders effektiv und damit auch für besonders gefährlich halten, bei denen Sie dazu gebracht werden, unverzeihliche Fehler zu begehen. Sie legen sich sozusagen selbst aufs Kreuz. Entweder lassen Sie sich provozieren oder Sie lassen sich dazu hinreißen, eine Norm zu verletzen, gegen die zwar inoffiziell dauernd verstoßen wird; sobald man Sie aber auffliegen lässt, sind Sie erledigt. Das lässt sich ganz aktuell bei der Tour de France beobachten.
Und wie kann man sich gegen solch unfaire Attacken wehren?
Bei den eben erwähnten Machtspielen hilft schon, wenn man die Sache durchschaut und eben nicht in die Falle tappt. Bei Verleumdungen gibt es eine ganze Reihe von Gegenstrategien. Eine davon: In die Offensive gehen, eine Erklärung abgeben, Fehler zugeben, die Dinge richtig stellen. Oberstes Ziel sollte sein, die eigene Glaubwürdigkeit zu retten. Denn ist die erst einmal erschüttert, kann man sich nur noch schwer auf seiner Machtposition halten. Manchmal liegen die Dinge allerdings komplizierter und diese Lösung kommt nicht mehr in Frage, Dann muss man verschlungenere Pfade gehen. Etwa vernebeln, in Deckung gehen oder einen Entlastungsangriff starten, also sich überzeugend erklären. Werden Sie hingegen schikaniert, haben Sie drei Möglichkeiten: Sie nehmen den Kampf auf und legen dem Aggressor das Handwerk. Dazu suchen Sie sich Verbündete; zweitens: Sie setzen sich den Schikanen nicht weiter aus und verlassen das Spielfeld. Oder, drittens, Sie halten durch und entwickeln kleine Überlebensstrategien. Letzteres wirkt nur wie eine Kapitulation. Letztlich geht es darum, abzuwägen, was für Sie das Sinnvollste ist.
Sind diese Machtspiele auch irgendwann zu Ende?
Solche Foulspiele haben leider nicht die Tendenz abzuklingen. Im Gegenteil, wer seine Kollegen oder Mitarbeiter schikaniert und auf keinen nennenswerten Widerstand trifft, der fühlt sich bestätigt. Er greift zu immer drastischeren Mitteln, um zu sehen, wie weit er gehen kann. Solche Foulspiele wirken jedoch zerstörerisch: Sie machen Menschen kaputt und richten in der Organisation verheerenden Schaden an – wenn sie geduldet werden. Daher sollte es für jede Organisation darum gehen, diese Auswüchse zu unterbinden. Sie haben mit den unvermeidlichen Machtspielen, die zwar auch nicht immer nett sind, aber mit denen man sich arrangieren kann, nichts mehr zu tun.
* Dr. Matthias Nöllke ist Buchautor im Bereich Wirtschaft und Management und arbeitet für den Bayerischen Rundfunk. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in München.
Jan Schmidt
Interessantes Interview. Hab ich so noch nicht gelesen. Ich finde solche Machtspiele allerdings schrecklich und versuche mich so gut es geht davon fernzuhalten. Die Leute, denen es nur darum geht, mehr Macht zu erlangen, tun mir irgendwie leid. Das Leben dreht sich doch nicht nur um Macht und Stutus. Das ist armselig.
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