Zweifel kennt jeder. Insbesondere vor Alles-oder-Nichts-Phasen. Dann, wenn es drauf ankommt, erleben die meisten Menschen einen kurzen Angstmoment, begleitet von der Furcht vor der eigenen Chuzpe und der klammen Frage: „Was mache ich hier überhaupt?“
Auf der Bühne nennt man das Lampenfieber, im Hörsaal Prüfungsangst und im Job Meeting – nur, dass bei Letzterem meist die Angst fehlt. In der Regel verschwindet diese auch genauso schnell wieder wie sie aufgetaucht ist, sobald die Konferenz gestartet ist. Dafür sorgt schon das Adrenalin.
Es gibt jedoch Menschen, die selbst nach einer überstandenen Klausur oder Präsentation unfähig sind, an ihre eigene Leistung zu glauben. Vielmehr sind sie davon überzeugt, ihre Erfolge durch Charme, durch Beziehungen oder durch Glück erreicht zu haben, nicht aber durch ihre eigenen Fähigkeiten. Sie halten sich – völlig zu Unrecht – für Hochstapler und fürchten, ihr vermeintlicher Bluff könnte schon bald auffliegen.
Zweifel am eigenen Erfolg
Impostor-Syndrom (vom Englischen Wort für „Betrüger“) wird das in der Fachsprache genannt und wurde 1978 zum ersten Mal als solches von den Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes identifiziert.
Wie wir ticken
Der Artikel ist ein Auszug aus dem Bestseller “Ich denke, also spinn ich“. Es ist das dritte Buch von Jochen Mai, das er zusammen mit seinem Kollegen Daniel Rettig geschrieben hat.
Auslöser für das Syndrom ist nicht selten die Suche nach Perfektion, wenn sich die Betroffenen selber zu hohe Ziele setzen. Gewiss: Kompromisslosigkeit und der Wille, immer der Beste sein zu wollen, können enorm motivieren. Häufiger aber führen sie in eine Abwärtsspirale. Egal, was man erreicht, es reicht nicht.
Impostor ahnen das – und suchen sogar meist noch das Haar in der Suppe, während andere schon beim Nachtisch sind. Es ist wie bei einem Experten, der von seinem Kollegen um Rat gebeten wird. Schon während seiner Analyse oder Empfehlung denkt er: „Es gibt garantiert eine bessere Antwort.“ Oder: „Wahrscheinlich wird er gleich merken, dass ich keine Ahnung habe!“
Die US-Schauspielerin Jennifer Aniston aus der TV-Serie ‚Friends’ gestand einmal der amerikanischen ‚Vogue’: „In der Nacht vor einem Fotoshooting denke ich oft: Warum solltest ausgerechnet du in einem Magazin zu sehen sein? Ich bekomme dann regelrecht Panik.“ Das klingt schon stark nach Impostor.
Entsprechend leben solche Menschen in ständiger Sorge vor Enttarnung und Bloßstellung. Allerdings wohlgemerkt: nur eingebildet.
Frauen sind stärker betroffen als Männer
Interessanterweise sind davon vor allem Frauen betroffen sowie Menschen, die tatsächlich überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Etwa als Fachkraft oder im Top-Management. „Manche Manager sind nach einer gewissen Zeit an der Unternehmensspitze derart verunsichert und desillusioniert, dass sie unbewusst das Desaster suchen“, stellte zum Beispiel der niederländische Psychoanalytiker und Management-Professor Manfred Kets de Vries Anfang 2008 in einem Interview im ‚Manager Magazin’ fest. Die Betroffenen „riskieren einen Skandal, sie kaufen Firmen ohne vernünftige Prüfung der Bilanz, sie fordern das Schicksal heraus“.
Birgit Spinath, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Heidelberg, ist eine der wenigen Forscherinnen in Deutschland, die sich intensiv mit dem Impostor-Phänomen auseinander gesetzt haben. Sie ist heute davon überzeugt, dass die Betroffenen nur schwer von alleine wieder aus dem damit verbundenen inneren Kreislauf herausfinden. Weil sie glauben, die geforderten Fähigkeiten nicht zu besitzen, bereiten sie sich zwar besonders intensiv auf ihre Herausforderung vor. Falls sie den Test dann aber trotzdem nicht bestehen, fühlen sie sich in ihrer Hochstapelei nur noch mehr bestätigt – und falls sie brillieren, war es eben erschummelt oder allein Folge der Vorbereitung und nicht des eigenen Könnens.
Ursachen und Gegenmaßnahmen
Einige Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass hinter dem Syndrom häufig negative Kindheitserfahrungen stecken. Diese Menschen haben zum Beispiel im Elternhaus gelernt, dass sie nur geliebt werden, wenn sie permanent bestimmte Leistungen erzielen. Entsprechend schwach ist ihr Selbstvertrauen ausgeprägt. Typisch für Impostor sind allerdings auch diese drei Komponenten:
- Eine überdimensionierte Vorstellung von Kompetenz.
- Eine komplexe Meinung zu Erfolg.
- Eine große Furcht vor negativer Kritik.
In schweren Fällen kann sich das Impostor-Syndrom selbst verstärken und in Essstörungen oder Depressionen münden. Solche starken Prägungen lassen sich in der Regel nur mit Hilfe eines Experten aufarbeiten. Darüber hinaus aber empfehlen Psychologen folgende Gegenmaßnahmen:
- Führen Sie ein Tagebuch, in dem Sie sich notieren, was Sie bereits geschafft haben. Ziel ist, dass Sie sich vor Augen halten, dass Sie Erfolge wiederholen können – und damit grundsätzlich das Talent dazu besitzen.
- Unterscheiden Sie genau zwischen Gefühlen und Fakten. Wir alle fühlen uns mal unfähig oder dumm. Aber nur weil man sich so fühlt, heißt das nicht, dass es auch der Wahrheit entspricht.
- Durchbrechen Sie die Schweigemauer und sprechen Sie mit Freunden über Ihre Angst und Scham. Sich Hilfe zu suchen, ist keine Schande. Allein schon der eingebildeten Schwindelei einen Namen zu geben, kann nützlich sein, sich davon zu befreien.
- Machen Sie das, was alle professionellen Sportler auch tun: Visualisieren Sie Ihren Erfolg vorab. Stellen Sie sich vor, wie Sie die Präsentation halten und die Leute dazu hinterher applaudieren. Imaginieren Sie, wie Sie im Bewerbungsgespräch auf alle Fragen eine kluge Antwort wissen. Und dass Sie die genau richtige Person für diesen Job sind – weil Sie ihn können und kompetent genug sind.
- Entwickeln Sie ein besseres Verhältnis zu Fehlern und stellen Sie vor allem realistischere Anforderungen an sich selbst. Nobody is perfect. Und Zweifel kennt jeder.
Swen-William Bormann
Das kommt aus den Paradigmen der Kindheit, und man sollte unbedingt darüber Bücher lesen oder Seminare besuchen, damit man den Selbsthilfeprozess enorm anschiebt!