Beantworten Sie bitte folgende Fragen: Bevorzugen Sie es, wenn andere Menschen Sie negativ beurteilen? Fühlen Sie sich schlecht, wenn Sie Komplimente erhalten? Fühlen Sie sich unwohl, wenn Sie erfolgreich sind? Wählen Sie einen Lebenspartner, der schlecht über Sie denkt?
Zugegeben, diese Fragen klingen im ersten Augenblick abstrus. Und doch gibt es Menschen, die diese Fragen mit Ja beantworten. Das widerspricht zwar dem gesunden Menschenverstand – eine psychologische Theorie aber behauptet: Manche Menschen bevorzugen negatives Feedback nicht nur, sie brauchen es sogar.
Berechenbarkeit wichtiger als Selbstwert
William Swann von der Universität von Texas in Austin hat die These aufgestellt, dass Menschen immer nach Bestätigung für ihr Selbstbild suchen. Selbstbewusste Menschen, die sich selbst als kompetent einschätzen, umgeben sich entsprechend oft mit Menschen, die ihr Selbstbild bestätigen. So weit, so klar. Doch nach Swanns Theorie gilt das eben nicht nur für selbstbewusste Menschen, sondern auch für jene, die sich selbst negativ sehen: Menschen mit geringem Selbstwertgefühl bevorzugen es demnach, wenn ihre Mitmenschen sie negativ wahrnehmen und beurteilen.
Doch was ist daran so erstrebenswert?
Für diese Menschen, so Swann, sei es wichtig das Gefühl zu haben, sie könnten ihre Umwelt und ihre Mitmenschen einschätzen und deren Reaktionen vorhersehen. Feedback, das der Selbstwahrnehmung widerspricht, stört diesen Eindruck der Kontrolle und Berechenbarkeit aber. Und daher haben negative Rückmeldungen – bei geringem Selbstwertgefühl – eine bestärkende und beruhigende Wirkung auf diese Menschen.
Tatsächlich konnte Swann in einer Studie nachweisen, dass Personen mit negativem Selbstbild häufig mit Partnern verheiratet sind, die ein negatives Bild von ihnen haben. In einer Versuchsanordnung arbeiteten Testpersonen mit geringem Selbstwertgefühl daher konsequenterweise bevorzugt mit einem Prüfer zusammen, der die Testpersonen negativ bewertete.
Das Phänomen lässt sich zuweilen auch im Berufsalltag beobachten. Bei Mitarbeitern oder gar dem am Schreibtisch gegenüber. Haben Sie beispielsweise Kollegen, die zwar immer gute Arbeit machen, sich aber trotzdem sofort im nächsten Mauseloch verkriechen würden, wenn Sie vom Chef vor anderen gelobt werden? Dann wissen Sie, wovon wir reden…
Das ist schlimm, aber es lässt sich auch etwas dagegen unternehmen. Um das Selbstwertgefühl solcher Mitmenschen zu stärken, ist aber vor allem eines wichtig: Gehen Sie in kleinen Schritten vor und lassen Sie sich Zeit dabei!
Wenden Sie beispielsweise die Sandwich-Methode an. Normalerweise bedeutet das, dass Sie mit einem Lob beginnen, danach einen Fehler ansprechen und wieder mit einem Lob enden. Man verpackt die Kritik angenehm, damit sie sich leichter schlucken lässt. Bei diesen unsicheren Kollegen aber empfiehlt Swann, umgekehrt vorzugehen: Bestätigen Sie zuerst einen Teil seiner negativen Selbstwahrnehmung, danach stellen Sie seine Stärken heraus und enden dann wieder mit einer Schwäche.
Auch das klingt abstrus. Führt aber womöglich schneller aus der Negativspirale.