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Eine solche Aufgabe könnte Ihnen im Assessment-Center (AC) gestellt werden. Mittelständler nutzen sie vorrangig zur Personalauswahl, Konzerne unterstützen damit auch die Personalentwicklung. In den Zwanzigerjahren wählte das deutsche Militär mit solchen Tests seinen Offiziersnachwuchs aus. Mit dem Krieg gerieten die Übungen jedoch in Vergessenheit. Erst in den Fünfzigerjahren entdeckten sie US-Unternehmen neu. Das erste neue AC in Deutschland organisierte der US-Konzern IBM 1969. Heute befragen die Prüfer sogar Vorgesetzte, Kollegen und Kunden eines Kandidaten. Der Rundumeindruck, der so entsteht, heißt in der Fachsprache 360-Grad-Feedback.
Bei den Tests geht es in erster Linie um die Balance zwischen sicherem Auftreten und natürlicher Ausstrahlung. Gelassenheit ist deshalb der zentrale Rat aller Profis, genauso wie alle Zeitangaben unbedingt einzuhalten. Losgeht es meist mit einer Selbstpräsentation. Darin soll sich der Kandidat kurz und prägnant vorstellen. Sind Sie Bewerber auf einen konkreten Job, müssen Sie zudem Bezug auf die ausgeschriebene Stelle und das Unternehmen nehmen. Anschließend gilt es, seine persönlichen Stärken und Erfolge im Vortrag prominent zu platzieren – als Einstieg oder als Höhepunkt zum Schluss, beides wirkt. Rückfragen der Prüfer zu Schwächen sind Usus – also vorbereiten! Überlegen Sie, welche Aufgaben Ihnen schwerfallen: Was tun Sie, um diese Schwächen in den Griff zu bekommen? Wer solche Fragen souverän beantwortet, sammelt Pluspunkte.
Ebenso werden Umgangsformen und Körpersprache bewertet: Steht der Kandidat selbstbewusst da? Sucht er den Blickkontakt zu Teilnehmern und Beobachtern? Oder zeigt er nervöse Ticks, wie Fingerklopfen oder Spielen mit Stiften?
An die Präsentation schließt meist eine Gruppendiskussion an. Die Themen stammen oft aus dem aktuellen Wirtschaftsgeschehen. Fachwissen wird selten erwartet, dafür umso mehr Teamgeist. Auf keinen Fall sollte jemand den eigenen Standpunkt durchpauken, sondern ein gleichberechtigtes Gespräch führen. Wer sich zu stark in Szene setzt, kassiert genauso Minuspunkte wie Kandidaten, die sich hinter verschränkten Armen zurückziehen oder andere verbal attackieren. Besonders gerne sehen es die Beobachter, wenn sich ein Kandidat die Namen der Mitbewerber merkt und sie damit anspricht. So findet er schneller Verbündete und zeigt Integrationskraft.
Den Abschluss bildet immer ein ausführliches Gespräch mit den Beobachtern. Darin spiegeln sie ihre Eindrücke und fragen nach der Selbsteinschätzung. Das ist die Chance, missglückte Übungen gerade zu rücken und gute Ergebnisse zu unterstreichen. Understatement ist dabei Trumpf – keiner will Eigenlob, aber auch nicht übertriebene Selbstkritik hören. Es ist sowieso besser kritische Anmerkungen bereits während des AC umzusetzen. Das beweist Lernfähigkeit.
Aber beschweren Sie sich nie über die hirnrissigen Übungen! Spielverderber bekommen keine zweite Chance.