FrauNehmen wir meine Freundin Claudia. Eine gutaussehende Blondine Anfang 30, groß, schlank, sportlich und ein außergewöhnlich warmherziger Mensch. Sie arbeitet als Account-Managerin in einem Konzern. Wenn man mit ihr redet, schenkt sie einem stets ein freundliches Lächeln, nickt oder streicht sich durch die Haare, und wenn man mit ihr diskutiert, sagt sie Sachen, wie „Vielleicht könnten wir uns darauf einigen, dass …“ oder „Dafür habe ich vollstes Verständnis …“. Kein Mensch würde Claudia verdächtigen, aggressiv zu sein, berechnend oder strategisch. Allerdings vermutet auch keiner, dass sie besonders durchsetzungsstark wäre. Sie hat viel Liebreiz und ist nett. Zu nett.


In ihrem Umfeld gilt sie als beliebte und talentierte Mitarbeiterin. Aber im täglichen Wettbewerb um Macht, Status und Posten zieht sie damit den Kürzeren. Nettsein zahlt sich im Beruf nicht aus. Um es ganz deutlich zu sagen: Manchmal hat es mehr Vorteile, ein Mistkerl zu sein. Das fängt schon bei der Hilfsbereitschaft an: Denjenigen, die anderen ihre Hilfe allzu bereitwillig zukommen lassen, zollen die meisten weniger Respekt als jenen, die zögern oder ab und an Nein sagen. Es ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage: Was leicht zu haben ist, hat weniger Wert. Wer sich dagegen vornehm zurückhält und rar macht, wird von Bittstellern umringt. Die Netten werden zwar schnell gemocht, denn sie machen das Leben leichter. Sie bieten aber auch keinerlei Reibungsfläche. Deswegen verbinden viele mit ihnen bald nur noch ein Gefühl: Langeweile.

Wer uns gelegentlich ärgert, provoziert, schockiert, zum Lachen und zum Wutschnauben bringt; wer uns mal austrickst und rechts überholt – vor dem haben wir Hochachtung. Vielleicht werden er oder sie nicht unsere besten Freunde, aber solche Leute, davon ist jeder überzeugt, werden es weit bringen. Kontroverse Menschen sind im doppelten Wortsinn aufregend. Sie stimulieren andere und schöpfen ihre Möglichkeiten voll aus. Das macht sie durchsetzungsstark, zuweilen rücksichtslos, in jedem Fall aber empfiehlt es sie für Führungspositionen, wo man es ohnehin nicht allen recht machen kann. Manager werden für Entscheidungsstärke bezahlt, nicht für Beliebtheit.

Nicht, dass Sie mich missverstehen: Dies ist kein Plädoyer fürs Schweinsein. Durch und durch destruktive Mistkerle sorgen stets für mieses Klima und eine hohe Personalfluktuation. Ihre Gräueltaten vertreiben Kunden, rauben anderen die Energie und bremsen Kreativität. Dieses Extrem zahlt sich (fast) nie aus! Ganz anders die Grauzone: Wer anderen nur dann und wann einen Stein des Anstoßes bietet, kommt allemal weiter als ein Wattebällchen.