Eine Friseurin, ein Radverkäufer, eine Arzhelferin: alle verdienen rund 900 Euro netto bei Vollzeit – sie haben zu wenig zum Leben und sind schlechter gestellt als Hartz-IV-Empfänger. Denn während die ARGE für Arbeitslosengeld II-Empfänger Miete, GEZ, Heizung und Strom übernimmt, müssen die drei Geringverdiener aus der gestrigen Reportage 37° "Schuften – und doch kein Geld" im ZDF diese Kosten selbst bestreiten. Darf das sein? Kann das sein? Nein, darf es nicht. Es kann auch nicht sein, dass jemand der gar nicht arbeitet, mehr bekommt, als jemand der arbeitet – ja, wie in dem Beitrag gezeigt, schuftet. Und wohlgemerkt: qualifiziert arbeitet. Schuld an dieser Situation sind A die Arbeitgeber: Ich bin selbst Arbeitgeberin und kann mir keine dicken Gehälter leisten, aber fair und über Sozialhilfeniveau zu zahlen, ist für mich selbstverständlich. Sonst stimmt etwas nicht mit dem Geschäftsmodell, man muss es verändern! Oder darf keine Mitarbeiter einstellen, oder nicht zu den verlangten Stunden. Schuld ist B der Staat: Von 100 Euro für eine Gehaltserhöhung kommen beim Mitarbeiter 50-60 an – selbst wenn er am untersten Ende der Gehaltsskala verdient. Das Übel sind dabei weniger die Steuern als vielmehr die Sozialbeiträge. Diese müßten bei Verdiensten unter 2.500 Euro brutto etwas, unter 1.500 Euro radikal gesenkt werden. Schuld sind C auch die Angestellten selbst: Sie müssen mehr kämpfen, dürfen sich die Ausbeute nicht gefallen lassen, müssen wie im Beitrag der Fahrradverkäufer durch die Läden ziehen und nach besser zahlenden Alternativen suchen. Die gibt es glücklicherweise noch, das hat auch diese Reportage gezeigt: der Radfahrer zog mit Lebenslauf durch die Läden, die Friseurin machte sich selbstständig, die Arzthelferin ging auf Jobsuche.
Svenja Hofert