Ein Beitrag aus dem Blog der Journalistin Deike Uhtenwoldt hat mich darauf gebracht, mich heute einmal mit einer Frage zu beschäftigen, die vor allem Selbstständige, im Zuge des Marke-Ich-Aufbaus aber auch mehr und mehr Angestellte interessiert: Wie wird man eigentlich Experte?
Experte sein hat den Vorteil, dass die Presse einen befragt und zitiert. Wenn eine Zeitung oder ein Magazin zentrale Aussagen in Anführungszeichen setzt oder sogar den Platz für einen Interviewkasten freiräumt, lockt das Kunden an. Die denken sich dann: "Wenn XY so oft zitiert wird, muss er kompetent sein. Ich bin mit meiner Frage dort also gut aufgehoben oder kann ihn/sie getrost beauftragen."
Wer Experte ist, hat Kunden. Kein Wunder also, dass der Expertenstatus begehrt ist. Deike Uhtenwoldt brachte das Beispiel von der Personalberatungsfirma, die sich wunderte, dass sie in einem Artikel zum Recruiting im Web 2.0 nicht erwähnt worden war, obwohl sie doch Experte für das Thema seien und sogar Kooperationspartner der Computerwoche. Nun qualifiziert eine Partnerschaft allein noch nicht für den Expertenstatus, zumal wenn diese in einem ganz anderen Bereich (beim Thema Gehalt) besteht. Die weitere Recherche zum Unternehmen im Internet liefert kein Indiz, dass dieser Expertenstatus, bezogen auf das Web 2.0, bestünde. Ein weiterer Malus: Auf dem Expertenthron sitzen immer Männer oder Frauen mit einem Gesicht und einem Vor- und Nachnamen, niemals Firmen.
Die Firma – oder einer ihrer Vertreter – hat kein Buch geschrieben, womit das erste Kriterium für Experten nicht erfüllt ist. Experten brauchen Bücher, die in einem echten Verlag erschienen sind, also nicht etwa bei Books on Demand oder bei einer Verlagsdruckerei. Dabei ist es nicht schlimm, wenn das Buch von einem Ghostwriter geschrieben worden ist, denn den muss man nicht erwähnen (dafür bekommt er schließlich ordentlich Geld, großzügig fünfstellig muss die Summe sein – sagen Agenten und Erfahrungen.)
Und wenn kein Buch existiert – wie schaffe ich es dann? Experten können auch sein:
- Professoren, zur Not auch Honorarprofessoren oder Dozenten
- wissenschaftliche Mitarbeiter in einem Institut
- Menschen mit einer sehr langen praktischen Erfahrung in einer "Nische"
- Menschen, die Fachartikel veröffentlicht haben (dafür gibt es unter anderem die Competence Site)
- Insider, also Menschen mit Kenntnissen einer bestimmten Szene
Vor allem aber müssen Experten im Internetzeitalter FINDBAR sein. Journalisten geben einfache Stichwörter ein, "Bewerbung Web 2.0" etwa, womit sie sofort bei mir und einem meiner Bücher landen. Manche suchen einen "Experten für Scheidungsrecht", die anderen einen "Kenner Insiderhandel Börse". Wichtig für den "werdenden Experten" wäre es dann, unter genau den relevanten Fachbegriffen aufzutauchen. Wie das geht, verraten einem die Suchmaschinenexperten, die mit der Suchmaschinenoptimierung ihr Geld verdienen (ein "Experte für Suchmaschinenoptimierung" ist etwa Andreas Schlosser, jedenfalls war er so schlau, seine Seite auf diesen Begriff hin zu optimieren).
Apropos: Experte wird weder Mann noch Frau über Nacht, es ist üblicherweise ein Prozess von mehreren Jahren, an dessen Ende die "Expertentaufe" steht. Die erfolgt, wenn eine neutrale Instanz – idealerweise eine anerkannte Zeitung oder Zeitschrift – den Experten erstmals als Experten, Guru oder Spezialist bezeichnet. Ganz kesse Zeitgenossen umgehen diesen langsamen Statusaufbau, indem sie sich einfach selbst Experte nennen und darauf bauen, dass andere das so übernehmen
Svenja Hofert
Es gibt inzwischen zu viele Experten. Das führt zum Imageverlust des Experten. Dazu empfehle ich die Artikel “Experten-Flut und kein Durchblick” aus der RP vom 17.2. 2010 und FAZ-online vom 16.2. 2010 ” Die Schelmexperten des sozialen Internets.”