Angeblich soll der erste Mensch, der 1000 Jahre alt wird, bereits leben. Das jedenfalls behaupten die Transhumanisten. Ein Vertreter dieser Spezies ist der heute 47jährige Bioinformatiker Aubrey de Grey, der ein Buch gegen das Altern geschrieben hat und für jedes Alterungsproblem dort eine Lösung präsentiert. De Grey ist rein äußerlich ein Beispiel dafür, welche schrecklichen Konsequenzen der Verzicht auf Rasierapparate haben kann und wie unglaublich alt man aussehen kann, wenn man eigentlich noch im Mittel-Alter steckt. Nun behauptet dieser de Grey, dass der erste Mensch, der 1.000 Jahre alt wird, heute 60 sei und bereits lebe.
Das klingt verrückt und wahrscheinlich ist es das auch. Dennoch wirft die Tatsache, dass wir im Durchschnitt alle erheblich älter werden als früher, eine neue Problematik für die Arbeitswelt auf. Ich meine nicht den oft zitierten demografischen Wandel: Über Ängste vor einer „Vergreisung der Belegschaft“ kann ich nur lachen, wenn ich mir manche heute 60jährigen ansehe. Die sind nicht vergreist und werden es in 10 Jahren noch viel weniger sein. Nein, das wahre Problem ist doch vielmehr das: Was macht ein Mensch mit soviel Jahren mehr? Vor allem: Was macht ein Mensch, der seinen Sinn spätetens seit den 1980er Jahren ständig und immer mehr durch ARBEIT definiert, mir so viel mehr Leben?
Ich spinne jetzt einfach mal ein bisschen herum:
- Bildung: Wenn Menschen 1.000 Jahre alt würden, dann müssten wir alle viel, viel länger lernen. Derzeit verbringen wir etwa 10-20% unseres durchschnittlich 80 Jahre währenden Lebens in Schulen, Hochschulen und Universitäten. Überträgt man diesen Schlüssel sind wir im 1000jährigen Leben bei 100 bis 200 Jahren. Oh Gott! Gunter Dueck beklagt in seinem Buch „Aufbrechen“, dass kaum jemand der 18jährigen, die er so auf Veranstaltungen trifft, Spaß am Lernen habe. Gerade habe ich meinen Sohn Leander gefragt, wie er es finden würde, 100 Jahre zur Schule zu gehen. Er hatte nur eine knappe Antwort: „Scheiße“ (sagt man nicht). Es werden sich also wenig Freiwillige finden. Was könnte die Lösung sein? Vielleicht verteiltes Lernen, alle 10 Jahre ein neues Studium – das wäre die Fortführung eines Trends und ein Geschenk für alle, die gern lernen (und da gibt es viele, gerade unter jenen, die in der Schule keinen Spaß hatten).
- Job- und Berufswechsel: In meinem Karrieremacherbuch hatte ich von sieben bis 28 Jobwechseln sowie 2-4 radikalen Berufswechseln gesprochen. Das entspricht etwa der Zahl, die ich derzeit so in Lebensläufen von 50- bis 60jährigen sehe. Wenn wir alle 1000 Jahre alt würden, dann sind wir – sehr einfach hochgerechnet – bei 70 bis 280 Wechseln. Ich denke sogar, man würde noch öfter wechseln, weil man ja so unglaublich viel Leben vor sich hat. Man könnte sich mit dem Lebenssinn beschäftigen, jahrelange Weltreisen machen, überhaupt würde die Bedeutung des CVs rasant abnehmen. Aber auch das kann passieren: 30 Jahre Gefängnis für ein Kapitalverbrechen – kein Problem – nimmt man vielleicht eher in Kauf, wenn man so viel Zeit hat…. Und der Sinn des Ganzen? Die Frage, die wir uns alle stellen, würde noch viel drängender da sein, so ganz ohne Zeitdruck. Ich finde, dieses Szenario hat auch viel Positives! So stand ich immer ratlos vor der Studienentscheidung: Informatik, Jura, VWL, Soziologie, Psychologie – alles war und ist interessant für mich. Und in 1.000 Jahren passt alles rein in Kopf und Lebenslauf, zumal sich ja auch die Gehirnkapazität dem längeren Leben anpassen wird!
- Entwicklung der Berufe: Neulich habe ich mir überlegt, was eigentlich alles automatisiert werden könnte und musste den Schluss ziehen: Fast alles. Sogar der Friseur. Gut, ein Kreativling wie mein Friseur Ümet (er schneidet seine eigenen Haare in Zacken) lässt sich eher nicht durch Roboter ersetzen, aber Färben, Waschen, Legen? Auch die Bildung lässt sich zu einem sehr weiten Teil automatisieren. Und der übliche Haushaltskram sowieso. Ich bin fest überzeugt, dass ich es noch erlebe, dass mir ein Roboter Spaghetti Bolognese kocht, ein Kochroboter. Könnte nicht sogar die Motivation eines Menschen von Robotern gesteuert werden – bis zu einem gewissen Grad? Hier fließen zwei Stränge zusammen: Das Längerleben und das Automatisieren von Dienstleistungen. Wir werden also, egal ob wir nun 1.000 oder doch nur 100 Jahre alt werden, keine einfachen Arbeiten mehr verrichten, sondern nur noch sehr komplexe (z.B. Kochroboter entwickeln). Ob da jeder mitkommt?
Themen wie Bevölkerungsexplosion etc. lasse ich jetzt mal außen vor. Da rollt eine wahre Welle an ethischen Fragen auf uns zu, Dinge bis vor kurzem vermutet in der Welt der Science Fiction, die alle wissenschaftlichen Disziplinen betreffen. Was etwa, wenn in 1.000 Jahren die Computer schlauer sind als wir? Gab´s da nicht mal einen Film, in dem die Roboter die Menschen versklavt haben?
Freue mich auf Gedanken und Ideen zu dem Thema!