„Ich bin die geborene Führungskraft“ – so etwas habe ich schon öfter gehört. Aber kann man zum Führen geboren sein? Ganz sicher gibt es Menschen mit einer natürlichen Autorität. Das sind zum einen die Alphatiere, die sich schon in Kindergarten und Schule zeigen: Bei Jungs die Coolen, bei Mädels die Zicken - so meine Beobachtung als Mutter eines 10jährigen. Zum anderen sind es informelle Führer, die sich gar nicht in den Vordergrund drängen und die oft nicht mal ein Interesse an den Insignien der Macht haben. Bei Viertklässlern sind das Nike-Sneaker und Hoodies, bei 40jährigen Porsches , Gehaltssprünge und Titel. Die lassen die “Informellen” kalt.
Was eine gute Führungskraft ausmacht, ist zumindest aus Sicht der Mitarbeiter klar. Ein Kunde hat mir seinen neuen Chef wie den Prototyp des „Boss“ beschrieben: Er ist freundlich, zugewandt, informiert, nimmt Ideen wertschätzend auf, gibt klare Ziele und lässt Eigenverantwortung. Auch nicht unwichtig: Er kommuniziert die Linie des Unternehmens (gut, wenn es eine gibt) und steht gleichzeitig hinter seinem Team. Seltenes Exemplar, Glück gehabt!
In Firmen finden sich solche Super-Bosse meist in Firmen, die diese gezielt besetzen – d.h. sie ballen sich in den “guten” Unternehmen. Dominierend ist der Vorgesetzte (Danke für die Unterscheidung an Dr. Erich Feldmeier vom Institut für Querdenkertum, wir haben sie gestern beim Mittagessen besprochen ). Vorgesetzte sind Menschen mit formaler Führungsgewalt. Denen folgt man azus Pflicht und Berechnung – weil sie einen feuern können und weil es gut ist für das eigene Vorkommen. Ohne die Insignien der Macht wären diese Vorgesetzten nichts. Während im Tierreich schlechte Führer einfach davongejagt werden, kleben bei uns Kündigungsschutz, Netzwerke, Seilschaften und windige Deals die Vorgesetzten auf ihren Stühlen fest. Wie lange noch?
Nun ist es in den wissensintensiven Branchen so, dass dort überwiegend Mitarbeiter tätig sind, die eine akademische oder adäquate höhere Ausbildung haben. Je besser gebildet ein Mitarbeiter, desto weniger akzeptiert ist der Typ „Vorgesetzte“, der immer noch die Unternehmen beherrscht. Deshalb und auch um wirklich gute Mitarbeiter zu gewinnen brauchen Firmen ganz neue Konzepte der Führung. Denn derzeit sind Unternehmen Diktaturen. „Oben“ bestimmt, wer auf den Chefsessel kommt. Kritik? Nur sehr eingeschränkt möglich. Chefbewertungen gibt es zwar schon länger. Sie scheitern dennoch regelmäßig an der Angst vor offenem Feedback. Anders als in der Politik übrigens, wo die Bürger gnadenlos abstimmen und urteilen – es kann ja nicht auf sie rückbezogen werden.
Wie wäre es, wenn wir es so wie in der Politik machten – und die Mitarbeiter ihren Chef wählen wie einst in der Schule den Klassensprecher? Am besten auch auf Zeit, so dass es sich niemand in den Zentren der Macht einrichten kann. Wer gewählt ist und nicht durch intransparente Kriterien „bestimmt“, wie lange er „oben“ bleibt, wird ganz anders mit seiner Macht umgehen. So könnte auch einem weiteren Problem aus dem Weg gegangen werden: Der nachlassenden Bereitschaft, Führungsverantwortung zu übernehmen. Ich beobachte in den letzten Jahren ein deutlich schwindendes Interesse nach oben zu klettern – dies hat klar damit zu tun, dass Fachpositionen mehr Work-Life-Balance und oft bessere Verdienstmöglichkeiten nach sich ziehen.
Beispiele von Schwarmintelligenz wie „Guttenplag“ zeigen letztendlich aber auch, dass Menschen, die intrinsisch motiviert auf ein Ziel hinarbeiten, sowieso keine Führung brauchen. Hier reicht es vielfach, Schnittstellen- und Moderationspositionen einzurichten. Oder die Verantwortung für die Jobs, die sich nicht in Selbstorganisation lösen lassen, auf verschiedene Köpfe zu verteilen.
Ich habe beim Googeln kein Beispiel für Unternehmen gefunden, die in Deutschland bereits ihre Chefs von Mitarbeitern wählen lassen. Aber bestimmt gibt es es das schon. Wer eins kennt, bitte posten!
Meines Wissens können die Mitarbeiter/innen der dm-Drogeriemärkte (teilweise) ihre Filialleiter/innen wählen. Das habe ich jedenfalls mal in einem Vergleich der fast diametral entgegengesetzten Unternehmenskulturen von Schlecker und dm gelesen.
Vielen Dank für den Hinweis. Das würde ja zur dm-Philosophie gut passen. LG SH