Aufbauend auf meine gestrige Betriebsanleitung Chefwerden habe ich heute einen richtigen Chef im Interview. Das Maschinenbauingenieur Thomas Hochgeschurtz war Geschäftsführer des tesa Werks in Offenburg und arbeitet heute als Trainer für Führungskräfte in einer Partnerschaft mit Enrico Briegert, seinem ehemaligen Stellvertreter. Sein Buch „Konsequent“ führt Jung-Manager in Romanform in die Kunst des Führens ein. Mir gefällt seine fortschrittliche und klare Haltung zum Beispiel zur Präsenzkultur - weiterlesen lohnt sich, und zwar für Manager und Mitarbeiter.
Was macht eine gute Leistung aus?
Letztendlich die Passgenauigkeit zu den Erwartungen des Vorgesetzten. Einschätzungen von Leistung sind Chefsache. Die Schlussfolgerung: Mitarbeiter müssen die Erwartungen ihres Vorgesetzten kennen, um ein guter Mitarbeiter zu werden. Welche Ergebnisse erwartet der Chef? Und viel wichtiger: Welche Verhaltensweisen bevorzugt der Vorgesetzte?
In der Praxis erlebe ich, dass Mitarbeiter aber überhaupt nicht wissen, was der Chef will. Ein Manager sagte seinem Mitarbeiter, er sollte immer ein wenig weiter denken als er selbst. Damit war dieser Mitarbeiter überfordert.
Hochgeschurtz: Eine solche Erwartung ist schwierig. Erwartungen müssen sinnvoll und nachvollziehbar sein, diese ist es sicherlich nicht. Theoretisch setzt sich jeder Chef am Anfang der Arbeitsbeziehung mit seinen Mitarbeitern zusammen, um ausführlich seine Erwartungen zu diskutieren. Sie kennen ihn jedoch – den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Daher empfiehlt es sich, die relevanten Vorgesetzten direkt nach ihren Erwartungen an ihre Arbeitsweise und Arbeitsleistung zu fragen. Oft sind Vorgesetzte von der Frage nach den Erwartungen überrascht. Mein Rat: Bleiben Sie hartnäckig und erforschen Sie die bisher ungeschriebenen Gesetze Ihres Chefs.
Leichter gesagt als getan… Der besagte Vorgesetzte konnte nicht konkretisieren, was er mit dem Vorausdenken genau meinte.
Hochgeschurtz: Chefs sollten es ihren Mitarbeitern einfach machen. Erklären Sie als Chef auch den Sinn Ihrer Erwartungen. Viele tun das nicht. Erwartungen ohne Sinn führen zur Demotivation. Und nicht ohne Grund sind direkte Vorgesetzte der größte Demotivator im Unternehmen. Wenn Mitarbeiter zum Äußersten greifen und kündigen, kündigen sie häufig nicht die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen, sondern die Zusammenarbeit mit ihrem Chef.
Ein anderer Chef ließ sich von seiner hochqualifizierten Mitarbeiterin jede E-Mail vorlegen. Das erwartete der. Sie erfüllte die Erwartungen, aber war damit total unglücklich.
Hochgeschurtz: Bei dem Beispiel wird Führung mit Kontrolle gleichgesetzt. Führung bedeutet jedoch Verhaltensbeeinflussung. Eine Führungskraft wirkt auf die Mitarbeiter so, dass diese die Unternehmens- und Abteilungsziele erreichen. Dabei hat die Führungskraft drei Möglichkeiten der Verhaltensbeeinflussung: Vorbild sein, Einsicht schaffen, konsequent sein.
Die meisten Führungskräfte denken eher, Sie müssten motivieren können…
Hochgeschurtz: Mitarbeiter muss man nicht motivieren, wenn man ihnen Handlungsspielräum lässt. Autonomie schafft Motivation. Das bedeutet, dass gute Vorgesetzte Verantwortung übertragen.
Gilt das aber nicht nur für Akademiker? Brauchen weniger ausgebildete Menschen nicht eine straffere Vorgabe?
Es geht um Übernahme von Verantwortung statt Befehlsausführung – das motiviert auch Arbeiter. Früher war es der Taylorismus, heute ist es das Lean Management, dass die Freiheitsgrade der Mitarbeiter eingeschränkt. Deshalb tun Mitarbeiter Dinge nur noch für Geld oder werden krank. Der Mensch möchte sich einbringen und gebraucht werden. Er wird krank, wenn er sich in seiner Arbeit nicht wiederfindet.
Sie plädieren für mehr Vertrauen. In Ihrem Werk hatten Sie Vertrauensarbeitszeit eingeführt. Fast schon revolutionär.
Hochgeschurtz: Nicht revolutionär, nur Menschenverstand. Stellen Sie sich vor, Ihr Sohn soll angelieferten Kies von der Straße in den Garten fahren. Wie arbeitet er, wenn der 10 € pro Stunde bekommt, schnell oder langsam? Und wie arbeitet er, wenn er ab der achten Stunde 25 Prozent Mehrarbeitszuschlag bekommt? Noch langsamer? Und wie arbeitet er, wenn er für den gesamten Kies 100 € bekommt? Unternehmen meinen halt immer noch Zeit, nicht Leistung messen zu müssen.
“Ich vertraue meinen Mitarbeitern, sie sind genauso auf Erfolg aus wie ich”. Dieses einfache Bekenntnis des Management-Vordenkers Ricardo Semler sagt in wenigen und einfachen Worten, was Führung letztlich ausmacht: Vertrauen und ein positives Menschenbild. Es sind vermutlich nicht oder nicht nur die komplexen psychologischen Führungstheorien und –modelle, sondern einfache, längst bekannte menschliche Grundwerte, welche die Führung letztendlich erfolgreich und glaubwürdig machen.