Last Exit: Wenn Selbstständige nach einer Festanstellung suchen

Hannes war sein ganzes Leben selbstständig. Er ist da mehr zufällig reingerutscht nach dem Studium und dann 20 Jahre in seiner kleinen Agentur geblieben. Es lief meist ganz gut, jetzt wird es mühsam. Hannes will zurück in eine Festanstellung. Georg war auch immer schon ein Unternehmer. Er hat sein Lebtag in der Familiengaststätte mit angepackt. Das hat er gar nicht hinterfragt. Bis es mal schlechter lief.

Für die Mehrzahl der Menschen ist eine Existenz als Selbstständiger oder Unternehmer ein schöner Traum, der aus finanziellen Gründen und mangels Erfahrung erst in späteren Jahren in Erfüllung gehen kann. Es gibt aber auch eine Reihe von Selbstständigen, die nichts anderes kennen als die Arbeit auf eigene Rechnung. Vielleicht haben sie vor zwanzig Jahren mal eine Lehre gemacht oder studiert, aber die Jahre der Selbstständigkeit überwiegen die in Festanstellung bei weitem.

In diesem Beitrag stelle ich die typischen Probleme beim Weg aus der Selbstständigkeit vor – und wie Aussteiger-Selbstständige damit umgehen.

Keine Vorstellung, wie es wirklich ist

Komischerweise ist für viele Aussteiger-Selbstständige die Festanstellung kein  Traum. ”Zurück” treiben weniger Vorstellungen von Selbstverwirklichung als vielmehr pragmatische Gründe, teils  die nackte ökonomische Not, teils die Erkenntnis, dass einem früher Aufträge zugefallen ist, man aber im Grunde doch kein Unternehmertyp ist.  Umgekehrt ist das nicht so – was dafür spricht, das Selbstständigkeit offensichtlich eher dem Ideal eines selbstbestimmten Lebens nahekommt als eine feste Anstellung. Manche Ewig-Selbstständige sagen auch ganz offen, dass sie gar nicht wissen, wie sich das Angestelltsein anfühlt und deshalb auch gar keine Vorstellung davon hätten.

Hannes hat eine kleine Eventagentur betrieben. Er war gewohnt viel zu arbeiten, rund um die Uhr. Planen, koordinieren, anpacken, entscheiden am Laufenden Band. Mit einer Handvoll freier Mitarbeiter machte er in guten Zeiten 200.000 EUR Umsatz und 100.000 EUR Gewinn. Als Angestellter müsste er vermutlich mit kaum 50.000 EUR Gehalt vorlieb nehmen.  Viele wissen nicht, wie wenig in manchen Jobs bezahlt wird. Und wenn sie es erfahren, verliert die Festanstellung schlagartig jeden Reiz. Realitychecking ist deshalb unbedingt angesagt.

Unterschätzen der eigenen Fähigkeit, sich unterzuordnen

Machen wir uns nichts vor: Je länger Sie selbst das Kommando hatten, desto schwerer werden Sie es jemand anderem überlassen. Nehmen wir noch mal das Beispiel des Eventmanagers. Marketingleiter kann er nicht werden, da er keine übergeordneten oder gar strategischen Marketingerfahrungen hat. Leiter von Eventabteilungen aber gibt es kaum. Für Agenturen ist er zu alt. Heißt: Es kann nur eine normale Angestelltenposition ansteuern, und da wird er  einen Chef haben. Mir ist jemand bekannt,  der diese ungewohnte Chef-Situation genau drei Tage ausgehalten hat (und seitdem wieder selbstständig ist). Die Vorbehalte von Firmen gegenüber Bewerbungen von ausstiegswilligen Selbstständigen sind deshalb oft gar nicht so falsch. Arbeitgeber denken bei der Sichtung von Selbstständigen-Unterlagen z.B., dass so jemand nicht lange im Unternehmen bleiben wird und laden deshalb nicht ein. Man könnte nun über die arrogante Arbeitgeberhaltung schimpfen…. doch die Vorbehalte sind eben manchmal - nicht immer – wirklich angebracht. Auch das fällt unter Realitychecking: Bin ich die richtige Persönlichkeit für die gewünschte Anstellung? Ziele ich mit meiner Bewerbung auf die richtige Hierarchieebene? Oft wäre höher anzusetzen, als der Selbstständige es für sich sieht, also bei einer Führungsposition. Auch im Sales-Bereich besteht mehr Offenheit gegenüber Ex-Selbstständigen. Denken Sie auch an Handelsvertretung oder Franchising.

Keine Standardkenntnisse

Heute können manche 18jährige schon mit Excel umgehen, Bilder bearbeiten, PDFs erstellen etc. Selbstständige mit einer langen Karriere, die NICHT aus dem IT-Bereich stammen, haben sich nicht selten so durchs Computerleben gemogelt. Keine Zeit für Weiterbildungen, auch keine Notwendigkeit gesehen. Büroarbeit, die heute eben auf allen Ebenen dazu gehört, ist nie richtig gelernt worden, sondern man hat sich die Handgriffe selbst beigebracht,  ging meist die umständlichen Wege, eventuell (nicht immer, aber realistisch prüfen!) besteht ein niedriger Professionalisierungsgrad.

Wir bekommen manchmal Lebensläufe von Selbstständigen auf Jobsuche, die erkennen lassen, dass da zum Beispiel jemand nicht mit Tabulatoren umgehen kann, die Abstände noch mit Leertasten zaubert oder PDFs mit 20 MB erstellt. Auch das Englische ist oft nicht auf dem Niveau, das Firmen heute von Bewerbern erwarten. Ich erlebe, dass viele Aussteiger-Selbstständige das nicht einschätzen können. Ein realistischer Kompetenzencheck muss sein – an einem Investment in Weiterbildung geht oft gar kein Weg vorbei.

Keine Geduld

„Ich brauche den Job in sechs Wochen.“ Manche Aussteiger-Selbstständige stellen sich das unheimlich leicht vor. Sie haben von der derzeit niedrigen Arbeitslosigkeit und dem Fachkräftemangel gehört und denken, es gäbe ein Job-Paradies. Das ist natürlich nicht so. Und Kusshände bekommen Ex-Selbstständige auch nicht zugeworfen. Im Gegenteil: Sie müssen sich ganz schön erklären.  Arbeitgeber spüren Halbherzigkeit.Ich verstehe hier wiederum die Einstellenden – Sie haben mit ihrem Misstrauen einfach öfter mal recht. Fragen Sie sich als Selbstständiger, der in die Festanstellung möchte: Ist es das, was Sie wirklich wollen? Dann werden Sie auch Opfer in Kauf nehmen wie etwa den We g über eine nun mal oft teure Weiterbildung. Kein Geld vorhanden, höre ich manchmal von denen, die NICHT wirklich wollen. Selten stimmt das, wenn der Antrieb groß genug ist. Irgendwo in der Familie und im Bekanntenkreis lässt sich immer Geld finden oder leihen. Und wenn nicht, und das Einkommen auf Null steht oder knapp darüber, gäbe es auch noch Hartz IV, einfach für den Übergang. Die Aussichten dann eine Weiterbildung vom Staat gesponsert zu bekommen, sind ziemlich gut.

Das Gesagte gilt nicht für alle Selbstständige. Überall wo Sie sehr stark in Unternehmensprozesse eingebunden sind, etwa als IT-Freelancer, sind Wechsel zwischen Anstellung und Selbstständigkeit ungleich einfacher. Nichtsdestotrotz gilt auch hier: Wer mehr als 10 Jahre eigenverantwortlich gearbeitet hat, wird sich schwer umorientieren. Stellen Sie sich mal vor, Sie leben in einer Wohnung mit 200 Quadratmetern – es wird Ihnen nicht leicht fallen, zurück auf 50 zu gehen. Das ist mehr als Gewöhnungssache.


8 Kommentare zu “Last Exit: Wenn Selbstständige nach einer Festanstellung suchen

  1. 20 Jahre selbständig und dann als Angestellter arbeiten? Als Firma würde ich dieses Risiko nicht gehen. Wenn die Fähigkeiten zum Überleben als Selbständiger nicht reichen, warum soll ich mir als Firma den Balast dann ans Bein binden?

  2. Die 18-jährigen in meiner Umgebung halten Facebook-Schreiben für IT-Kenntnisse und Excel für eine Programmiersprache. (Die sie nicht beherrschen) Wenn in ihrer Umgebung andere 18-jährige vorherrschen sollten, würde ich mich über Kontakte freuen, ich würde nämlich gerne einen oder zwei Azubis einstellen. Voraussetzung: Englisch, Mathe, logisches Denken, ordentliche Arbeitsweise, Pünktlichkeit. Damit fallen 98 von 100 meiner Bewerber raus. Ich würde auch einen ehemals Selbständigen einstellen, wenn der Mensch qualifiziert ist.

    Auch die Manager kommen bei mir nicht so gut weg wie bei ihnen. Gerade Führungskräfte in IT-Unternehmen haben oft eine erschreckend geringe Medienkompetenz. Gut möglich, dass sie da mit ihrem Tipp “Tabulator statt Leerzeichen” noch neues Wissen vermitteln können. ;-)

    Was mich jedoch stört, ist die unterschwellige Behauptung, bei selbständigen Einzelunternehmern würde es sich um Menschen handeln, die aufgrund mangelnder Qualifikation schlicht nicht einstellungsfähig sind und sich nur durch Glück eine Weile durchmogeln konnten, bis irgendwann die Glückssträhne reisst. Ist das nicht arg plakativ?

    Nieten gibt es überall. Wer 20 Jahre lang für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen konnte, kann nicht alles falsch gemacht haben.

  3. Hallo Christian, ganz so plakativ wie anscheinend angekommen, ist es nicht gemeint. Man muss sich anschauen, um welche Bereiche es geht und wie lange jemand selbstständig ist. Mir sind durchaus Beispiele bekannt, in denen so ein Wechsel geklappt hat, z.B. bei sehr angestelltennahen Tätigkeiten, etwa im IT-Bereich. In meinem Beitrag ist beschrieben, warum er manchmal eben nicht funktioiert. Letztendlich würde ich aber stets den Einzelfall betrachten @thomashochgeschurtz … diese Haltung haben eben viele: Sie ist manchmal richtig, aber eben nicht immer. LG Svenja Hofert

  4. Hallo Frau Hofert,

    bei Xing-Profilen finde ich das immer so verblüffend: Wenn Leute selbständig sind und dann rechts sowohl “Neugeschäft und Aufträge generieren” als auch “An Karrierechancen interessiert” steht.

    Oder nur die Karrierechancen. Das wirkt wie ein Selbständiger auf dem Absprung. Warum soll man diesen noch beauftragen?

    Viele Grüße
    Jürgen Auer

  5. Ja, das sehe ich wie Sie, Herr Auer. Man muss sich entscheiden. Entweder oder ist wirklich nur da zulässig, wo es aufgrund der Projektorientierung wirklich kaum einen Unterschied macht. Sonst muss man sich commiten und entscheiden, was man wirklich will. Ich stelle niemand ein, der unentschlossen ist ;-) LG Svenja Hofert

  6. Lieber Herr Auer, liebe Frau Hofert,
    Xing-Profile sind schwierig zu bewerten, finde ich – aber eines sind sie im Fall von Selbständigen – Jobsuchenden immer: meist Kontakt- und Plattform sowohl für die Selbständigkeit als auch für die Entdeckung neuer Chancen. Solange jemand diese noch nicht hat – gerade wenn derjenige vielleicht gerne in eine Festanstellung kommen möchte – ist es vielleicht auch nicht gut, das Profil ganz darauf abzustellen: denn sonst suchen sich die bisherigen Partner/Auftraggeber vielleicht vorsichtshalber auch schon mal jemanden anderen, bevor überhaupt etwas richtig in Gang gekommen ist.
    Und: kommt sich ein Mensch, der auf der suche ist, da nicht ein bischen “Datenlastig” und zu unpersönlich betrachtet vor?… Mir fehlt da die Einschätzung aufgrund des Kennelernens – und das geht wohl eher nur im direkten Gespräch und nicht über Papier und Co.

  7. Liebe Frau Hofert,

    meine Stirn zog sich beim Lesen Ihres Artikels in Falten.

    Finden Sie ihn nicht ein wenig einseitig? Was ist mit dem unternehmerischen Denken, dem Organisationsmanagement und dem Allround-Talent eines Selbständigen/Freiberuflers? Warum beleuchten Sie ausschließlich nur die “schlechten” Eigeneschaften eines Selbständigen?

    Ich frage mich, welchen Zweck Sie mit dem Artikel verfolgen und warum – sorry, aber so klingt es in meinen Ohren – Sie auf den Selbständigen herumhacken und Ihnen das Gefühl geben, zu schlecht ausgebildet, zu wenig flexibel und zu naiv für eine Angestelltenposition zu sein. Fast habe ich den Eindruck, Sie wollten den Selbständigen sagen: “Bleibt bloß weg, Ihr könnt eh nicht mithalten”.

    Schade, der Artikel hätte mit einer zweiten Sicht der Dinge wirklich interessant sein können. Natürlich werden Ex-Selbständige im Angestelltenverhältnis Probleme haben, keine Frage, allerdings bin ich überzeugt, dass sie auf der anderen Seite wertvolle Eigenschaften mitbringen können, die ein Immer-schon-Angestellter nicht hat.

    Mit freundlichen Grüßen
    Katharina Sevic

    • Hallo Frau Sevic, das ist kein Rumhacken, sondern die Darstellung EINES Aspekts von vielen. Ich bin auch eine Selbstständige, es liegt mir fern, das zu verteufeln. Im Gegenteil. Nur darf man auch nicht die Augen verschließen vor Entwicklungen in Selbstständigkeiten, die es auch gibt: Stagnation kommt vor, so wie bei Angestellten auch, ja teils noch stärker, denn anders als Angestellte müssen Selbstständige ihre Weiterbildung selbst bezahlen, was viele machen, aber einige auch nicht.
      Mein Artikel ist eine reine Zustandsbeschreibung eines Teilbereichs, für dessen Existenz ich zahlreiche Beispiele kenne. Es ist keine Erfindung und auch keine Meinung, sondern schlicht Realität. LG Svenja Hofert

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