Polski, Palzki im Wildschweingehege
23. März 2008 | Von WT | Kategorie: Regional-KrimiIn den Krimiserien des amerikanischen Fernsehens wird viel und schnell Auto gefahren. Theo Kojak rast durch die Schluchten Manhattens, Mike Stone macht die Strassen von San Francisco sicherer, Jim Rockford brettert über den Strand von Malibu und Reiner Palzki ist zwischen Schifferstadt und Ludwigshafen unterwegs; allerdings nicht im Fernsehen sondern jetzt erstmals zwischen zwei Buchdeckeln in Harald Schneiders »Ernteopfer«. Bisher ermittelte Palzki in Kurzkrimis in den Spalten der Regionalzeitung »Die Rheinpfalz«.
Harald Schneider wohnt im Rhein-Neckar-Dreieck in Schifferstadt bei Ludwigshafen und begann bereits während seines Studiums zu schreiben. Zunächst schrieb er für diverse Studentenzeitungen, im Laufe der Zeit folgten immer mehr Kurzkrimis- und Geschichten für die Regenbogenpresse.
Zu Palzkis Buchpremiere heißt es im Klappentext: »Erntezeit im vorderpfälzischen Obst- und Gemüseanbau. Hauptkommissar Reiner Palzkis Träume von einem erholsamen Wochenende mit seinen Kindern zerplatzen jäh, als ein polnischer Erntehelfer mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden wird. Die Spur führt in den Gemüsegroßmarkt S. R. Siegfried in Limburgerhof. Während Palzki den undurchsichtigen Inhaber in die Mangel nimmt, wird ein zweiter Toter im Wildschweingehege des Rheingönheimer Tierparks entdeckt. Langsam dämmert dem Kommissar, dass er einem Verbrechen auf der Spur ist, gegen das die dubiosen Machenschaften der Gemüsebranche Kavaliersdelikte sind.«
Es gibt Bücher, die liest man am besten vom Ende her, »Ernteopfer« ist so eines. Sie sollen natürlich nicht mit der Auflösung des Falles beginnen sondern noch weiter hinten. Der Autor hat ein Personenglossar und ein Ortsregister angefügt, für ortsunkundige Leser Pflichtlektüre. Hier offenbaren sich die Schwachstellen von Regionalkrimis im Allgemeinen und »Ernteopfer« im Besonderen. Meister ihres Faches nutzen den Lokalkolorit der Erzählung dazu, Stimmung und Atmosphäre zu erzeugen sowie Charaktere der Personen und ihre Handlungsweise in ein Geflecht von Beziehungen einzubetten und für den Leser verständlich zu machen.
In Kurzkrimis in der Zeitung ist die Charakterisierung der Protagonisten aus Platzgründen reduziert; es auch in der Buchform dabei zu belassen führt zu oberflächlichen Stereotypen. Was vor heimischem Publikum in Schifferstadt vorgelesen funktioniert, muß nicht unbedingt beim allgemeinen Lesepublikum ebenfalls funktionieren. Schneider läßt Palzki durch ein Gewirr von Straßen, Landwirtschaftswegen, Kreuzungen, Kreiseln, Brücken und Unterführungen düsen. Die Erwähnung der Namen weckt bei ortskundigen Lesern ein Aha-Erlebnis mit Wiedererkennungswert und im Kopf läuft ein Film ab. Bei auswärtigen stellt sich bald Verwirrung ein, auf Dauer Unlust und Langeweile. Ein handlungsarmer Plot mit überraschendem Ende, das in keinerlei Beziehung zum Handlungsverlauf steht, und ein gewöhnungsbedürftig verschriftlichtes Pfälzer Idiom mit entsprechendem Humor erledigen den Rest. Palzkis Autofahrten zwischen den einzelnen Stationen erinnern mehr an Routenbeschreibungen als an Charakterisierung der Landschaft. Leser, die im Umkreis von 25 – 30 Kilometer von Schifferstadt leben, mögen »Ernteopfer« vielleicht mit Vergnügen lesen. Wer weiter weg wohnt, dem sei das Buch nur empfohlen, wenn er sich an den Anweisungen seines Navigationsgeräts literarisch berauschen kann. Dennoch habe ich etwas gelernt: Der Rettich, besonders der pfälzer, ist ein scharfes Gemüse.
Harald Schneider – Homepage des Autors
Harald Schneider in Wikipedia
Harald Schneider: Ernteopfer, Gmeiner Verlag, Meßkirch, 2008, kt. 272 S. ISBN : 978-3-89977-748-2
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