Berlin, ein weitläufiges Gelände

„Jetzt kommt ein langsames Stück, dann noch eines und dann geht es weiter mit Beats.“ Mit diesem Satz von Johannes Motschmann lässt sich das Konzert seines Trios in der Hamburger Elbphilharmonie ziemlich gut zusammenfassen. Gemeinsam mit David Panzl und Boris Bolles hat er Tracks der neuen EP „Waves at Boundaries“ und des Albums „Electric Fields“ auf die Bühne des Kleinen Saals gebracht. Die Lieder des Longplayers sind als Stimmungsbilder einer Nachtfahrt durch Berlin komponiert. Darüber wollten wir ein bisschen mehr wissen und haben bei dem Klangkünstler nachgefragt.

Johannes Motschmann Trio live in der Elbphilharmonie (Kleiner Saal). Foto: Michael Schock
Kleiner Saal, große Wirkung: Johannes Motschmann und sein Trio in der Elbphilharmonie. (Copyright: Michael Schock)

Eine nächtliche Fahrt durch Berlin – wie ist die Idee für deren Soundtrack entstanden?
Ich hatte mit meinem damaligen Projektmanager Sven Schuhmann allgemein über Hörgewohnheiten gesprochen und wollte Musik komponieren, die dynamisch genug ist, um als rein instrumentales Konzert die Zuhörer fesseln zu können, und die gleichzeitig aber auch als Tonträger funktioniert, den man in den Alltag integrieren kann. Letztlich auch eine Frage der Loudness. Da ich selber gern Musik beim Autofahren höre, stelle ich mir das dann auch umgekehrt für meine Musik vor. Bei extrem dynamischer Musik, großen Orchesterstücken etwa, funktioniert das oft nicht so richtig. Mit den „Electric Fields“ wollte ich daher einen guten Kompromiss finden, zwischen orchestraler Komplexität einerseits und einem robusten, auch kompatiblen Klangbild. Für mich funktioniert Musik wie ein Soundtrack zu den visuellen Eindrücken die ich beim Musikhören – oft auch über Kopfhörer – habe.

Welche Ereignisse oder Orte haben dich besonders beeindruckt?
Am meisten wohl das Funkhaus Nalepastraße, wo ich das Album mit Boris und David aufgenommen habe. Dieser Ort hat den Klang des Albums beeinflusst, genau wie meine emotionale Wahrnehmung dieser Musik.

Wie beeinflusst die Großstadt deine Musik grundsätzlich? Und wie fasst man eine Stadt überhaupt in Klänge?
Ich empfinde Berlin überhaupt nicht als Großstadt sondern eher als weitläufiges Gelände mit wechselnden Fixpunkten, die sich im Laufe der Zeit immer wieder ändern. Der Osten der Stadt ist mir insgesamt näher und ich kann letztlich nur einen ganz persönlichen, subjektiven Eindruck wiedergeben. Jeder fühlt sich ja in einer Stadt ganz anders, je nach Lebenssituation.

Was ist es für ein Gefühl, in der Elbphilharmonie zu spielen? Gerade als gebürtiger Hamburger.
In Hamburg bin ich zwar geboren, aber nicht aufgewachsen. Trotzdem hat mich die Entstehung der Elbphilharmonie irgendwie beschäftigt. Ich war auch zur Generalprobe vor dem Eröffnungskonzert hier, da wusste ich noch gar nicht, dass wir noch dieses Jahr im Kleinen Saal auftreten. Es ist schön, in einem ganz neuen Saal zu musizieren, weil das, was wir machen, ja auch neu ist. Deshalb hoffe ich, dass sich daraus eine große positive Energie ableiten lässt.

Das hat letztlich funktioniert: Motschmanns urbane Mischung aus perkussiven Klangexperimenten, die uns an die Einstürzenden Neubauten erinnerten, und einfühlsamen Pianopassagen, die Nils Frahm so auch gerne geschrieben hätte, sorgten während des Konzert mehrfach für einige Euphorie. Sowohl beim Publikum als auch bei den Musikern. „Es war toll, in diesem Saal mit diesem besonderen Klang zu spielen“, freute sich Motschmann am Ende der rund anderthalb Stunden Klangspaß im Edelkonzerthaus.


Titelfoto: Johannes Motschmann im Funkhaus Nalepastraße. (Copyright: Neue Meister)

Sven Wiebeck Verfasst von:

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