Bedrohte Artenvielfalt der Berufe

admin | Posted 29/03/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »

Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich?

Die absolvierten Lehrabschlüsse wie auch die Vielfalt der Berufe sind rückläufig. Gleichzeitig fehlen dringend benötigte Informatiker. Massnahmen wurden ergriffen, ob sie greifen, wird sich zeigen.

Immer wenn es klingelte im Sparschweinchen, wussten die Zuschauer von "Was bin ich?", dass ein Beruferater auf dem Holzweg war. Der Abend mit Robert Lembke machte deutlich, wie viele und ausgefallene Berufe zum Alltagsleben gehörten. In der Schweiz finden die meisten Jugendlichen durch eine Berufslehre den Weg zum Geldverdienen.

Ob wir ein Essen im Speisewagen bestellen, den Geschirrspüler einschalten oder die Zeitung aus dem Briefkasten nehmen; ohne die Vielfalt von Berufen wären diese und alle anderen Handlungen nicht möglich. Laut Rolf Peter, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT) "gab es vor etwa 10 Jahren ungefähr 290 Lehrberufe – heute sind es noch 239". Die Tendenz gehe "klar in Richtung Zusammenlegung von Berufen in Berufsfeldern".

Die Berufe unterliegen dem Zeitgeist wie die Mode aber auch der Marktentwicklung. Was einst der Job eines Lokomotivführers galt, ist heute der Informatiker oder Tauchlehrer auf den Malediven. Das Bundesamt für Statistik in Neuenburg registriert einen Rückgang der Lehr-Abschlüsse um einen Viertel, in den letzten zehn Jahren. Allerdings nahm im selben Zeitraum die Bevölkerungsgruppe der 19- bis 22-Jährigen um einen Fünftel ab. Trotzdem wird diese Entwicklung zu Engpässen führen.


Beruf und Image

Sehr stark betroffen sind der Verkauf, die Landwirtschaft, die Textilindustrie, die Nahrungsmittelherstellung, das Gast- und Baugewerbe. Die produzierende Industrie wird immer mehr ins Ausland verlagert, um hohe Lohnkosten zu umgehen.
Überrascht darf man jedoch über die negative Entwicklung im Verkauf und Gastronomie sein. Sind die generell unbeliebten Arbeitszeiten die Ursache? Rolf Peter: "Viele Berufe leiden unter Image-Problemen. Solange unsere Gesellschaft einfachere und anstrengende Tätigkeiten als unattraktiv empfindet, werden in wirtschaftlich guten Zeiten diese Berufe bei der Rekrutierung Schwierigkeiten haben."
Rolf Peter sieht diese Problematik im Dienstleistungssektor sowie im Gastgewerbe, weil das "Dienen" nicht gerade den jugendlichen Vorstellungen entspricht. Er denkt aber auch an Berufe wie Maurer, Gipser und Strassenbauer.

Ricardo Wagner, Hotelbesitzer mit 22 Angestellten in Ascona meint zur angesprochenen Problematik: "Wir suchen ständig Leute. Unregelmässige Arbeitszeiten aber auch die recht anstrengende Tätigkeit macht das Rekrutieren schwer. Der grösste Teil meines Personals stammt aus Portugal." Eine Art Neid sei manchmal gegenüber den Gästen auszumachen; "die haben Urlaub und ich muss in der schönsten Jahreszeit schuften." Wagner plädiert für eine neue Definierung des Berufes, indem die Arbeit wieder zu einer Art "Mission" wird. Mit Leib und Seele soll der Beruf ausgeübt werden, "wie eine Krankenschwester in Afrika".
Auf die Frage, wie das wieder erreicht werden könnte, schlägt Wagner vor: Ein obligatorischer Ruhetag in der Woche, bewusstes Team-Coatching und mehr Zeit für die Einzelmotivation. "Meine Mitarbeiter sind keine Fussballer mit denen gehandelt werden darf." Zufriedenes Personal bringt zufriedene Kundschaft und dies mache sich wieder rückwirkend für die Belegschaft bemerkbar.

Die beliebtesten Lehrberufe finden sich in Büro und Verwaltung, in der Metall- und Maschinenindustrie, in der Heilbehandlung als auch in der Grafik. Was sich in den letzten 25 Jahren deutlich erhöhte, ist der Frauenanteil; 1970 waren es noch 30 Prozent, heute stagniert er bei knapp 42 Prozent. Dreiviertel der ein- bis zweijährigen Lehren geht an Frauen und Dreiviertel der vierjährigen Lehren an Männern.


Sorgenkind Informatik

Sorgenkind Nummer Eins ist die Computerwelt. In Deutschland lockt man mit der Greencard Fachkräfte aus Indien an, mit mässigem Erfolg. In der Schweiz konzentrierten sich die Fördermassnahmen in der Weiterbildung und dem Ausbau des Lehrstellenangebots. Die Lehrlingszahlen der Informatiker stiegen im letzten Jahr um beachtliche 55 Prozent. Der Bedarf ist aber noch enorm und eine solche dynamische Entwicklung konnte nicht im voraus richtig eingeschätzt werden. "Die Informatiklehre dauert vier Jahre – also vergehen auch bei einer beträchtlichen Steigerung des Lehrstellenangebots mindestens vier Jahre, bis diese ausgebildeten Leute auf dem Arbeitsmarkt erscheinen. Mit Umschulungs- und Spezialkursen können in kürzeren Fristen zusätzliche Fachleute ausgebildet werden. Auch das dauert im besten Fall, Monate bis wenige Jahre", gibt Rolf Peter vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie zu bedenken.

Während die Schwierigkeit in der Informatik rational angegangen werden kann, scheint es schwieriger zu sein, unattraktivere Berufe in den Köpfen der Heranwachsenden aufzuwerten. Es wird eine Herausforderung sein, den Beruf wieder als eine Berufung zu sehen. Ein Remake von Lembkes Sendung müsst vielleicht heissen: "Wer" statt "Was bin ich?"

Buchtipp:

Monika Hoffman:

after school.
Berufswahl: Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich?. Mit großem Adressteil. Jobs, Business

BW Verlag
ISBN 978-3-8214-7658-2, 9.80 EUR

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