Farbenspiel und Frühlingsduft
admin | Posted 14/04/2007 | Garten | Keine Kommentare »Die Dichterin Barbara Frischmuth hat eine stille Passion. Wenn sie nicht auf Reisen ist, verbringt sie viel Zeit beim Jäten, Umtopfen und Zurechtschneiden. In ihren Gartenbüchern erkundet sie ihre ganz private Pflanzenwelt.
Die feinsinnigen Ägypter der vorchristlichen Zeit wussten es schon: Ein Garten ist kein Sammelplatz für banales Grünzeug, das sich mutwillig aus der Erde rekelt. Auch die Franzosen des 17. Jahrhunderts verstanden es bald aufs Meisterhafte, Gräser, Blümchen, Hecken und Sträucher so zu formen und zu setzen, dass man glaubte, die Natur lasse ihre schönsten Auswüchse nur durch unterirdische Reißbretter ans Licht.
Und wer einmal einen Zen- Garten gesehen hat, weiß um die Sinnhaftigkeit und Sinnbildlichkeit des menschlichen Umgangs mit dem Kleinod der Natur. Natürlich waren die, die sich der Farbenpracht annahmen (oder die karge Nüchternheit der Steingärten pflegten), nicht stumpfsinnige Gärtner, sondern Künstler – und sie sind es bis heute. Auch Barbara Frischmuth betätigt sich auf diesem Gebiet.
Die Grazerin mit Refugium in Altaussee sieht aus ihrem Fenster in ein geradezu loderndes Blütenfeld – die entsprechende Jahreszeit natürlich vorausgesetzt. Dass ein Garten nicht nur eine botanische, sondern auch eine literarische Angelegenheit sein kann, hat sie bereits mit ihren Büchern
Fingerkraut und Feenhandschuh und
Löwenmaul und Irisschwert bewiesen.
Marder, Rose, Fink und Laus ist ihre jüngste Naturerkundung. Konzentriert, liebevoll und langsam streift Frischmuths Blick über die sprießende Pracht vor ihrer Haustür. Die Fotos von Herbert Pirker sind nicht nur illustrierendes Beiwerk, sondern erzählen ihre eigene Geschichte. Gelegentlich taucht er im Buch auf als einer, der Frischmuth die Augen für die Kunstfertigkeit der Gewächse öffnet, etwa wie wendig die Aeonien ihre “schuhlöffelförmigen Blätter ineinanderstecken” können.
Doch Frischmuth ist eine erfahrene Gärtnerin. Sie weiß, wann die Iris elegantissima zu blühen hat und bleibt dennoch gelassen, als sich ihr Exemplar zehn Tage später als sonst entfaltet. Sie kennt die Vorliebe der Pallidiflora, einer Gattung der Fritillarien, für saure Beete. Und die deutsche Bezeichnung der Wulfenia, Kuhtritt nämlich, verrät ihr die Vorliebe dieser Pflanze für getrocknete Kuhfladen als Dünger.
Was aber treibt die Dichterin zu den Pflanzen? Frischmuths Forscherdrang, falls ein solcher überhaupt vorhanden und notwendig ist, ist eine spielerische Neugier, ein Abwarten und ein Hoffen, dass aus den Zwiebeln und Knospen sich doch bald etwas Ansehnliches herauswinden wird. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Heldin ihres Romans
Die Mystifikationen der Sophie Silber, Amaryllis Sternwieser, den Namen einer Blume trägt: Amaryllis eben, vulgo Ritterstern.
Und sind nicht die Namen vieler edler Gewächse Ausdruck einer geradezu poetischen Begegnung zwischen Mensch und Blume – “Buttermilk”, “Chandelier”, “Goldwolfsmilch”, “Hinton Fields”? Sogar ins Dramatische kann sich die vermeintliche Ruhe eines Gartens versteigen: Die Engländer bezeichnen ein leiterförmiges Regal, auf dem Aurikel aufgestellt werden, als Aurikel-Theater.
Frischmuths Buch ist ein kleines Vademecum für Gärtner ebenso wie für die, die zum Jäten und Graben keine Lust haben. Es lädt dazu ein, nicht nur die eigene Grünfläche neu zu bewerten, sondern fordert geradezu eine akkurate Naturbetrachtung heraus: der Garten als Abbild der Natur samt ihrer Regeln und Unwägbarkeiten, die der Mensch zwar steuern, aber nicht beherrschen kann.
Somit ist der Garten auch ein Hort der Anarchie, des naturgewollten Chaos, das sich widerstrebend und niemals ganz einer künstlichen Ordnung ergibt. Die Schönheit eines Gartens ist letztlich auch das Produkt seiner Zwecklosigkeit. Farbenspiel und Frühlingsduft bleiben ohne Nutzen, machen das Leben aber ein wenig schöner.
Und für den Gärtner ist er ein Ort der Sammlung und Ruhe, des Alleinseins und der Aufmerksamkeit der Stille gegenüber. Im Einkl ang mit sich selbst Ein richtiger Garten ist natürlich auch bewohnt, er hat Platz für Insekten aller Art und Größe, für Erdentiere und Warmblüter.
Während etwa die Erdkröten den Frühling mit ihrem trägen Liebesspiel begrüßen, haben sich auch unliebsame Gäste auf den Weg durch Frischmuths Reich gemacht: Das Lilienhähnchen – hinter dem lieblichen Namen verbirgt sich ein gar nicht lieblicher Käfer – frisst sich quer durch den Garten.
Einem richtigen Gärtner geht es freilich nicht um das Vertilgen von Insekten, um das notorische Stochern in der Erde oder das Zurechtstutzen von Überflüssigem, sondern um eine Lebenseinstellung, eine Sicht auf die Dinge, die diesen Raum und Zeit lässt, sich zu entfalten. Er ist ein Beobachter und kein Macher, ein Förderer und kein Erzwinger. Er ist tolerant und nicht verständnislos, weitblickend und nicht kleinkariert. Und als Naturfreund lebt er in Einklang mit sich selbst – außer im Winter vielleicht. Doch jetzt, im Frühjahr, darf er sein Werk von Neuem beginnen.